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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Neuaufgedeckte romanische Wandmalereien in Österreich
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0184

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Neuaufgedeckfce romanische Wandmalereien in Österreich.

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uns gütigst zur Verfügung gestellten Originalauf-
nahmen und nach dessen mündlichen Erläuterungen.

Den Anfang machen wir mit den Malereien im
Schiff, deren Figuren mit Rücksicht auf den ge-
gebenen Raum etwas kleiner gehalten sind als diejenigen
im Chor. Sämtliche Figuren sind dunkelbraun
konturirt gewesen, und heben sich so mit plastischer
Bestimmtheit von dem polychromen Hintergrund ab.
An den Langwänden, deren untere Partien mit einer
gemalten Teppichverzierung bedeckt sind, bemerken
wir oben je zwei Reihen von Darstellungen über-
einander, von denen die oberste neben den Fenstern
hinläuft, die untere den Raum unter denselben füllt.
Und zwar sind neben den Fenstern an der rechten
Langwand die klugen Jungfrauen, an der gegenüber-
liegenden linken die thörichten Jungfrauen darge-
stellt, die ersteren mit nach oben gerichteten, die
anderen mit zu Boden gesenkten Fackeln. Weit
figurenreicher und mannigfaltiger sind die Bilder der
unteren Reihen: da sehen wir rechts zunächst am
Triumphbogen die Verkündigung, dann die Geburt
Christi und die Anbetung der Hirten geschildert, an
welche letztere Komposition rechts neben der Ein-
gangswand sich eine jener merkwürdigen allegorischen
Tierdarstellungen anreiht, wie sie uns in der bilden-
den Kunst des Mittelalters nicht selten begegnen.
Wir bemerken eine Festung mit Zinnen und Türmen,
in und um deren Mauern bewaffnete Katzen, Mäuse
und andere größere Bestien kämpfend ihr Spiel
treiben. Die gegenüberliegende Wandfläche lässt an
der entsprechenden Stelle neben der Eingangswand
infolge einer eingebauten Treppe, die wahrschein-
lich zu einer Galerie führte, nur noch einige Spuren
eines Höllenbildes mit den Resten einer krallen-
füßigen Teufelsgestalt erkennen und daneben die
ziemlich wohlerhaltenen Bilder der Speisung der Fünf-
tausend und der Vermehrung der Fische und Brote.

Auch die schmalen Wandflächen über und neben
dem Triumphbogen sind ganz mit farbigem Schmucke
bedeckt: da ragt Uber dem Scheitel des Bogens die
Halbfigur des Erlösers empor, die Rechte segnend er-
hoben, mit der Linken das Buch aufstützend, wie durch
eine rahmenartig behandelte Mandorla hereinschau-
end, auf blauem Hintergrunde. Links und rechts
stehen in Dreiviertelansieht der Mitte zugekehrt, ihre
Opfergaben (Garben und Lamm) darbringend, Kain
und Abel (inschriftlich bezeichnet) und, eine Reihe
tiefer als diese, zwei Donatoren, der eine mit dem
Modell der Kirche in den Händen.

Nun treten wir in das Innere des kleinen Chores
ein. Der Triumphbogen selbst ist an seiner Gurt-

fläche mit den Brustbildern von Engeln ausgemalt,
welche die Leidenswerkzeuge tragen. Die dem
Chor zugekehrte Bogenfläche schmückt ein besonders
grossmustriges Ornament. An den drei Wänden
des Raumes neben den Fenstern sind rechts und
links je ein heil. Bischof und König, an der Rück-
wand Johannes der Täufer und ein Apostel (?) in
überlebensgroßen Figuren dargestellt. Die unteren
Teile der Wandflächen sind mit einfachen textilen
Mustern in buntfarbiger Bemalungbedeckt. Schweben-
de Gestalten in langer Gewandung füllen die schmalen
Wandstreifen über den Fenstern. Das Chorgewölbe
trägt in der Mitte das Lamm Christi, umgeben von
den bekannten Symbolen der Evangelisten in vier
getrennten Feldern. Das Ganze ist von einer kreis-
förmigen Einfassung umgeben, welche in den Zwickeln
des Gewölbes von vier in Brustbildern dargestellten
männlichen Gestalten, den Repräsentanten der vier
Himmelsgegenden (?), mit ausgebreiteten Armen ge-
tragen wird. Zahlreiche reizvolle Ornamentstreifen
und Inschriften dienen diesen figürlichen Bildern zur
Verbindung und Erklärung. — Der Stil des ganzen
Freskenschmuckes hält zwischen der steifen, cere-
moniösen Feierlichkeit der frühmittelalterlichen Zeit
und der bewegten Grazie des Gotischen die Mitte:
Typus der Gestalten, Ausdruck der Köpfe, Gewan-
dung und ornamentales Beiwerk scheinen uns für die
Mitte oder zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zu
sprechen.

Wir verwundern uns über den Barbarismus jener
Altvordern, welche den farbenhellen Schmuck der
ehrwürdigen Bauten des Mittelalters mit kalter
Tünche überstrichen. Andererseits haben wir gerade
diesem an sich wenig rühmlichen Vorgange die Erhal-
tung so manches edlen Werkes der Malerei zu ver-
danken, welches ohne den Schutz der Tünchedecken
vielleicht schon längst verdorben und abgefallen wäre.

Es wird angesichts dieser neu zu Tage getretenen
hochinteressanten Fresken jetzt Aufgabe unserer Zeit
sein, dem Ruine derselben für die Zukunft nach
Thunlichkeit entgegenzuwirken. Was da aus dem
Brunnen hervorgezogen wurde, das ist nicht licht-
und luftbeständig: es muss gestärkt, gekräftigt wer-
den, um nach so langem Schlaf sich auf die Dauer
widerstandsfähig zu erweisen. Dann aber handelt
es sich auch um eine würdige Publikation des auf-
gefundenen Schatzes; diese trägt mächtig zu seiner
Konservirung bei, ganz abgesehen von der Publizität,
die nur auf litterarischemWege voll erreichbar ist. In
erster Linie wäre wohl die k. k. Centraikommission
zu einer solchen Untersuchung berufen. In zweiter
 
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