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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Nordhoff, Josef B.: Der altdeutsche Franziskanermaler zu Corbach, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0204

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395

Der altdeutsche Franziskanermaler zu Corbach.

396

zu Geseke, der andere im Waldeckschen, die letzten
und ehrenvollen Vertreter der Soester Schule, und
als diese mit ihnen erlosch, hatte sie beinahe drei
und ein halbes Jahrhundert im Dienste religiöser
Erbauung und menschlichen Schönheitsverlangens
die eine Frucht nach der andern gezeitigt — neben
der Kölnischen die ruhmwürdigste Norddeutschlands.

Die von H. Aldegrever um 1530 zu Soest ein-
geschlagene Richtung hatte, von den Vorwürfen und
der manierirten Gewandbehandlung abgesehen, mit
der frühem weder in der Entstehung, noch in der
Stilweise etwas mehr gemein; und dennoch, als wäre
hier die Vorliebe für kirchliche Tafelmalerei nicht
völlig untergegangen, bestellen die Protestanten noch
gegen Ende des 16. Jahrhunderts bei dem dortigen
Maler Mathias Knypping religiöse Kanzel- und Altar-
gemälde, wovon man noch Reste aus den Jahren
1593 und 1605 besitzt.

Wir kehren zu dem Künstler der Corbacher
Altäre zurück; denn dass diese nicht von verschie-
denen Händen ausgingen, erhellt auch aus der Art,
wie sich auf beiden der Maler verewigt hat —• jedes-
mal als betender Franziskaner mit Palette und Pinseln.
Auf dem Altarblatte von 1518 hat er ein fast jugend-
liches Haupt ohne Tonsur und Bart, auf dem andern
von 1527 wiederum ein volles, jedoch halb ergrautes
Haar, kurzen Bart und ein etwas gealtertes Antlitz. Der
Habit ist hier aschbraungelb, dort heller, doch ins
Gelbgraue spielend.

An zwei verschiedene Maler lässt sich umso-
weniger denken, als man dann von einem bisher
nur ein Werk, von dem andern höchstens zwei Werke1)
nachweisen könnte, als die höheren Künste in einem
oder gar in zwei Klöstern eine Pflege erfahren hätten,
die sonst im Spätmittelalter wohl ohnegleichen

Münster halb auf deutschem, halb auf italienischem Kunst-
boden. Prüfers (Berliner) Archiv für kirchliche Kunst. IX, 181.

1) Allen Umständen nach ging auf denselben Franzis-
kanermaler ein dritter Waldeckscher Altar zurück, welcher
für die Augustiner zu Volkardinghausen gemalt, später nach
Ober-Waroldern verbracht und hier 1823 einem „seltsamen
Einfalle" und Geschicke überantwortet wurde. Er musste unter
einer Überwaschung mit Branntwein den Farbenschmelz und
die Deutlichkeit der Inschriften verlieren und dann als
Schalldeckel der Kanzel fungiren. Das Hauptblatt zeigte
auf goldenem Grunde eine figurenreiche Kreuzabnahme, das
Datum 1519, und am Fuße des Kreuzes den Grafen Philipp II.
als Donator, auf den Flügeln jedesmal in zwei Feldern
Ereignisse aus dem Mönchsleben (des h. Franziskus'?). „Der
Ausdruck in den meisten Figuren, namentlich den trauern-
den Mönchen (welche das Sterbelager eines Ordensgenossen
umgeben) ist höchst glücklich getroffen." Näheres bei
Curtze a. a. 0. S. 395.

dastünde1). Zudem passen beide Malerbildnisse
ganz wohl auf einen Meister und Franziskaner trotz
gewisser Abweichungen: auf dem ältern und ge-
lungeren Werke erscheint er noch in voller Kraft,
auf dem jüngern gealtert, doch noch nicht abgelebt.
Eine ihm hier beigegebene, aber heute mehrfach aus-
gegangene Inschrift:

... tjunx tnc a

minor frcmxtBC... tem

brts tarn mt ziat — i i (71)

meldet, dass er das Bild im 71. Lebensjahre schuf.
Was nun die Tracht anbelangt, so ist es eher jene
eines Franziskaner- Observanten, als die eines Mino-
riten, auf welche man leicht schließen könnte, inso-
fern die Schulcharaktere der Gemälde ja auf Soest
zurückgehen, wo bekanntlich ein werkthätiges Mino-
ritenkloster bestand. Die zweite Zeile der Buch-
schrift betrifft aber, wie ich von kundiger Seite
vernehme, keinen Minoriten (Konventualen), sondern
einen Observanten. Das Observantenkleid wechselte
je nach der Gegend und der dort gezogenen Wolle
etwas in der Farbe, die hier aschgelb2), oder doch
im ganzen heller ist, als der (graue) Minoritenhabit3).
Im Kleide des Malers wechseln auf beiden Bildnissen
die Farben entweder unter einer ungleichmäßigen
Lufteinwirkung der Jahrhunderte, oder, falls sie ur-
sprünglich sind, ganz im Einklänge mit der ursprüng-
lichen Beschaffenheit des Stoffes, der später etwas
dunkeler sein mochte, als früher; beide Male ist
doch die Ordenstracht und die charakteristische Kapuze
dieselbe; letztere bedeckt in einem Bausch den obern
Teil des Rückens und läuft dann in einer stetig ver-
engten Spitze bis zum Gürtel hinab. Es steckt also
in dem Habite des Malers ein und derselbe Mönch,
nämlich ein Observant, 1518 ein Mann noch rüstig
im Wesen, 1527 erschüttert von den Jahren. Nun ist
ihm auch der Bartschnitt erlassen — eine jener Ver-
günstigungen, die der Orden alten und bedürftigen
Mitgliedern zu gewähren pflegt; das volle Haupthaar
in den frühern wie in den spätem Jahren kenn-
zeichnet den Maler als einen Laienbruder, der Fund-
ort der Gemälde als einen Insassen des Klosters zu
Corbach. Hat er nun als erklärter Jünger der Soester

1) In so später Zeit hatte unser Maler einen Parteigänger
gegenüber den Laienkünstlern in der Nähe, an dem Pfarrern
zu Haune, Johannes Doyle, welcher 1486/90 vielleicht auf
ältern Spuren Wandgemälde in der Klosterkirche zu Hersfeld
ausführte. G. Landau, i. d. Zeitschrift für hessische Geschichte
III, 393.

2) . . . robe de mechant drap, de couleur de cendre . . .
Helyot, Histoire des ordres monachiques 1721. VII, 35.

3) . . . une robe de Berge grise . . . das. VII, 158.
 
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