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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Rosenberg, Adolf: Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0267

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

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das Jagdstück und das militärische Genrebild bevor-
zugt ; aber diese Bevorzugung hat doch schon das Gute
gelmbt, dass diese Gattungen der Malerei auch künst-
lerisch stark in die Höhe gekommen sind. Eduard
Hildebrandt, der darüber gestorben ist, weil er sein
„blaues Wunder" mit den damaligen Mitteln der Öl-
malerei nicht so durchsichtig und intensiv zur Er-
scheinung bringen konnte, wie es in seinem Gedächt-
nis und in seiner Phantasie lebte, würde selbst sein
„blaues Wunder" haben, wenn er sehen könnte, mit
welcher Leichtigkeit Richard Eschke (Meerbusen von
Biscaya und Parade einer Torpedobootsflotille vor
dem Kaiser), Schnurs*Älquist und Hans Bohrdt (Vier-
mastklipper im Passat und Pacific-Postdampfer in
der schweren Dünung bei Kap Pillar) die schwie-
rigsten Probleme lösen, die aus allen zwischen Blau,
Grau und Grün sich ergebenden Farben- und Ton-
verbindungen erwachsen.

Unter den Malern von Jagden und jagdbarem
Wild stehen jetzt besonders der in München gebil-
dete Pole Juljan Falai, der mit einer Darstellung des
Kaisers auf der Pürschjagd in der Schorfheide ver-
treten ist, die sich durch die vortreffliche Behandlung
der in leichten Herbstnebel gehüllten Landschaft aus-
zeichnet, und Richard Friese im Vordergrunde des
Tagesinteresses. Letzterer hat sich in neuerer Zeit,
nachdem er anfangs Löwen und Tiger in der Wild-
nis gemalt, vorzugsweise der Schilderung von Jagd-
erlebnissen und Jagdergebnissen des Kaisers gewidmet.
Über der scharfen Erfassung des Tierindividuums, die
das Auge jedes Waidmanns entzückt, vernachlässigt
er aber mehr als billig die landschaftliche Umgebung,
den Hintergrund und die Luftstimmung. Für den
harmonischen Zusammenklang des landschaftlichen
Teils mit den Tierfiguren sind immer noch die Ge-
mälde des Düsseldorfers Christian Kröner, von denen
bei uns zwei, „der Ruhestörer" (ein kampfbereiter
Hirsch, der ein rastendes Rudel aufscheucht) und
„Wildfütterung im Winter" ausgestellt sind, klassische,
unübertroffene Muster.

Aus der stattlichen Zahl von Landschaften, die
sich durch originelle Erfassung des Motives oder durch
eigenartige koloristische Behandlung über das Durch-
schnittsmaß erheben, führen wir noch den Blick auf
Lindau Und den Bodensee von W. Bode in Düssel-
dorf, den Romsdalfjord von 0. Oesterley jr. in Blanke-
nese, den Blick auf das frische Haff beim Fischer-
dorf Rosenberg von Heinrich Kohncrt in Berlin, eine
Partie aus dem Schlosspark in Babelsberg mit einem
Blick auf die Havel und der Gestalt Kaiser Wil-
helms I. von Paul Söborg in Charlottenburg, einem

gesunden Realisten voll kräftiger poetischer Stimmung,
die samländische Ostseeküste von Julius Wmtscher,
eine „Waldeinsamkeit" (ein Teich in einem Buchen-
walde) VOn'Paul Flickel) eine Nordseestrandlandschaft
an einem Sommerabend von Fugen Dücker in Düssel-
dorf, zwei Nillandschaften bei Abendstimmung von
Ernst Körner, eine Abenddämmerung und einen hollän-
dischen Kanal bei heranbrechendem Morgen von
Eduard Fischer in Berlin, zwei Partien von der Lüne-
burger Heide von Heinrich Härder in Berlin und
zwei süditalienische Landschaften von Sebastian Lu-
cius an, einem Schüler von Janssen in Düsseldorf und
Uhde in München, der sich in der skizzenhaften, aber
geistreichen Pinselführung an die modernen Italiener
angeschlossen hat.

Zu den Landschaftsmalern gehört auch Lud-
wig Dettmann in Charlottenburg, der Schöpfer des
in der Erfindung eigenartigsten und tiefsinnig-
sten Gemäldes, das die Aussteilung aufzuweisen hat.
Auf einem breiten Mittel- und zwei schmalen
Seitenbildern, die zu einem Triptychon verbunden
sind, schildert der Maler den Sündenfall und seine
Folgen nach dem dritten Kapitel des ersten Buches
Mose, aber nicht in symbolischer oder allegorischer
Art, auch nicht in der Uhdeschen Manier, die Ge-
schichtliches mit Gegenwärtigem zusammenzwängt,
sondern in einer völlig selbständigen Auffassung.
Auf dem linken Seitenflügel steht im Hintergrunde
der Engel mit dem flammenden Schwert als der
Hüter des verlorenen Paradieses. Vor ihm dehnt
sich eine mit Lilien bestandene Wiese aus, und im
Vordergrunde, von jener durch einen Bach getrennt,
ringelt sich eine Schlange, das Sinnbild des Sünden-
falls, im Grase. Auf dem Mittelbilde, dessen Figuren
aus dem modernen Leben gegriffen sind, ist die Er-
füllung des Fluchs dargestellt. Bei heftigem, vom
Herbstwinde gepeitschtem Regen sind Leute auf
einem kargen Acker mit dem Ausheben von Kar-
toffeln beschäftigt. Sie halten in ihrer Arbeit inne,
denn auf der aufwärts führenden Landstraße im
Mittelgrunde bewegt sich an ihnen ein Leichenzug
vorüber: ein Wagen mit dem Sarge, der von vier
Männern gezogen wird, und dahinter ein paar Leid-
tragende, die mit Sturm und Regen kämpfen. Ein
Meisterwerk tief ergreifender Stimmungsmalerei, das
das Bibelwort versinnlicht: „Im Schweiße deines
Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du
wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist."
Auf dem rechten Seitenflügel erhält die Komposition
ihren versöhnenden Abschluss, indem sich die Ver-
heißung des neuen Testaments erfüllt. In lichten
 
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