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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Rosenberg, Adolf: Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0290

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Die Akademische Kunstausstellung in Berlin.

Maler, der schnell in die erste Reihe unserer Kriegs-
und Militärmaler vorgerückt ist, und „der blinde
Bettler an der Kathedrale von Sevilla", ein fein
beobachtetes und mit entsprechender Wärme des
Kolorits wiedergegebenes Stück spanischen Volks-
lebens, von Theodor von der Beek in Düsseldorf hervor-
zuheben. Auch der letzten, anscheinend unvollendet
hinterlassenen Arbeit des frühverstorbenen Schweizers
Aloys Fellmann „Palmsonntag in der Schweiz" muss
noch gedacht werden. Man sieht daraus, dass der
fleißige Künstler dicht daran war, in der Schilderung
alemannischen Volkslebens in Verbindung mit Land-
schaft und Architektur die Lücke auszufüllen, die
Riefstahls Tod gerissen hat.

Das weitaus ernsthafteste und verheissungsvollste
Geschichtsbild der Ausstellung war des Düsseldorfers
Arthur Kampf Episode aus der Zeit der Vorbereitung
zu den Befreiungskriegen: ,.Professor Steffens be-
geistert zur Volkserhebung im Jahre 1813 zu Breslau."
Es ist ein niedriger, enger Raum, worin sich Männer
und Jünglinge aller Stände und Gewerbe, dazu auch
einige Bräute und Schwestern, aus deren Augen das
Feuer der Vaterlandsliebe und Opferfreude leuchtet,
versammelt haben, um den Worten des langen hageren
Norwegers zu lauschen. Wie er da sich über das
Katheder beugt und mit den Armen herumfuchtelt,
das ist so dargestellt, dass die Flucht vor jedem thea-
tralischen Pathos beinahe zu einem Einfall in das
Gebiet der unfreiwilligen Komik geführt hat. Aber
der heilige Ernst, der aus dem Antlitz des Professors
gleichsam hervorsprüht und sich seinen Zuhörern
mittheilt, drängt jede Aufwallung der humoristischen
Ader in dem Beschauer wieder zurück. Kampf hat
in seinen künstlerischen Bestrebungen viel Knorriges,
Eckiges und Philisterhaftes. Letzteres ist das, wovon
er sich am ehesten losmachen sollte. Es ist durch-
aus noch nicht erwiesen, dass die Wahrheit immer
mit Spießbürgern und Proletariern umgehen muss.
Sie kann auch eine vornehme Dame sein, die mit
Geist, Anmut und Phantasie auf gleichem Fuße ver-
kehrt. — Dass die jüngeren Berliner Künstler nach-
gerade anfangen, des Realismus und des Naturalismus
überdrüssig zu werden, beweisen u. a. zwei große
Bilder, „In die Freiheit gerettet", eine Szene aus den
Kämpfen der Römer und Germanen im Dunkel der
Urwälder, von Ernst Hemeler und eine große, auf
Gobelinleinwand gemalte Dekoration „Elfenreigen"
von Max Koch. Auf dem erstgenannten Bilde ist das
Theatralische wohl wirksamer als die an die Natur
anknüpfende Wahrscheinlichkeit. Aber es ist immerhin
schon anzuerkennen, dass der Künstler einmal von

seinen Äckern und Wiesen, Feldarbeiten und Bauern
einen höheren. Aufschwung genommen hat. Max
Koch hat sich seit wenigen Jahren zu einem Künstler
des dekorativen Stils entwickelt, dessen virtuose
Technik auf gleicher Höhe mit der phantasievollen
Erfindung steht. Cabanel, Baudry und andere fran-
zösische Meister ähnlicher Richtungen haben kaum
etwas geschaffen, das diesen „Elfenreigen" an Schön-
heitsgefühl und Anmut der Komposition überträfe.

Das Durchschnittsniveau der Bildnismalerei hat
sich gegen die letzten Jahre beträchtlich gehoben.
Einige ältere Meister haben einen neuen Aufschwung
genommen, am glänzendsten Gustav Graef, dessen
Bildnisse von jungen Frauen und Mädchen an Vor-
nehmheit der Auffassung, an Feinheit des Tons und
geschmackvoller Anordnung seinen besten, vor zwanzig
Jahren entstandenen Schöpfungen wieder gleich-
kommen, ohne dass eine Spur von Manierirtheit den
Gesamteindruck trübt. Hugo Crola in Düsseldorf
hat sich in den letzten Jahren zu einem Bildnis-
maler ersten Ranges entwickelt, der die Schwere und
Stumpfheit des Kolorits, die ihm früher anhafteten,
völlig überwunden hat und zu einer Klarheit des Tons
hindurchgedrungen ist, die namentlich seinen weib-
lichen Bildnissen ein überaus vornehmes Gepräge
giebt. Max Koner hat trotz seiner starken Produktion
auf diesem Gebiete niemals ein besseres Bildnis Kaiser
Wilhelms II. gemalt, als das in diesem Jahre ausge-
stellte, das den Kaiser unbedeckten Hauptes, sitzend,
mit dem auf der Brust auseinander geschlagenen
grauen Offizierspaletot bekleidet zeigt. Muster vor-
nehmer Auffassung und tief eindringender Charak-
teristik sind auch die Bildnisse des Generalfeld-
marschalls von Steinmetz (nach dem Tode für die
Nationalgalerie gemalt) von Josef Scheurenberg, des
Prinzen Eduard von Anhalt von Hans Fechner in
Berlin und die Pastellbildnisse des Schriftstellers
A. Niemann und einer Dame in schwarzer Gesellschafts-
toilette von Anton Klamroth in Leipzig. Endlich ist
noch hervorzuheben, dass in diesem Jahre auch zwei
Damen mit großen Erfolgen in die Reihe der Porträt-
maler getreten sind: Frau Elisabeth Poppe-IAideritz
mit dem Porträt einer Dame und ihrem mit Hol-
beinscher Delikatesse und Wahrheitsliebe durchge-
führten Selbstbildnis .und Frl. Traute SteintMl mit
zwei Damenbildnissen. Erstere hat sogar eine „ehren-
volle Erwähnung" errungen. Es ist das zweite Mal,
dass der Senat der Akademie eine Dame einer Aus-
zeichnung gewürdigt hat.

ADOLF BOSENBERG.
 
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