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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0065

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roben und Erfrischungsräume. Im Obergeschoß dieselbe
klare Einteilung: links die Versammlungszimmer, rechts
schöne abgemessene Kunstausstellungsräume mit gutem
Oberlicht, und in der Achse des Gebäudes ein großer
amphitheatralisch angelegter Vortragssaal. Die Festlichkeit,
die soziale Gemeinschaft an der Stätte des geistigen Ge-
nießens, sie kommenUn würdiger und bedeutender Form
zur Geltung.I Blunck hat auf eine solche, doch als Haupt-
sache geltende Konzentration bedingungslos verzichtet, zu-
gunsten^einer altertümelnden Fassade, die übrigens nicht
einmal ausführbar ist. Man denke: neben dem Holstentor,
das hier eine Gesimshöhe von 13,5 Meter hat, gähnt, wie
eine Don-Juan-Kulisse der Eingang zur Kunstabteilung mit
11 Meter Scheitelhöhe, und drückt das Koloß zum Spielzeug
herab. — Alle Achtung und Treue gegenüber dem Alten
und kunsthistorisch Wertvollen! Aber wenn wir neue
Stadtteile anlegen, wenn wir, eine so viel Zukunftskeime
bergende Aufgabe, wie dieses Lübecker Volkshaus zu lösen
haben, so wollen wir uns dabei der Mittel und Gedanken
unserer eigenen Zeit bedienen, ohne darum dem Über-
lieferten wehe ZU tun. Fritz Hellwag.
WETTBEWERBE
Jena. Der Verein deutscher Freimaurer hat einen Preis
von 3000 Mark für die beste Arbeit über das Thema »Die
soziale Bedeutung der Käufersitten« ausgeworfen. Preis-
richter: Bischof, Dr. jur., Bankdirektor, Leipzig; Damaschke,
Vors, des Bundes Deutscher Bodenreformer, Berlin; Herkner,
Prof. Dr. rer. pol., Berlin-Charlottenburg; Wilbrandt, Prof.
Dr. phil., Tübingen; Ziegler, Theobald, Prof. Dr. phil.,
Frankfurt am Main. Die gedruckte Erläuterung des Themas
ist kostenlos zu beziehen vom Sekretariat des Vereins
(Hauptmann a. D. Clausen in Jena, Johann-Friedrichstr. 1).
Der Umfang der Bewerbungsarbeiten wird auf etwa zehn
Druckbogen festgesetzt. Druck und Format wie die Er-
läuterung. Das Manuskript ist unter Motto bis zum 1. Juli 1914
an die Adresse des Sekretärs einzusenden. Nur Schreib-
maschinenmanuskripte werden angenommen. Die Preis-
zuteilung wird spätestens im Frühjahr 1915 erfolgen. Der
Verlag Eugen Diederichs in Jena hat sich bereit erklärt, die
Herausgabe der preisgekrönten Schrift zu übernehmen. Alle
Rechte gehen an die preisstiftende Vereinigung über, doch
wird sie auf jeden ihr etwa zufallenden Gewinn an der
Buchausgabe zugunsten des Verfassers verzichten.
LITERATUR
Ein Buch von der Glasmalerei. Das im Verlag
Bruno Cassirer erschienene Werk »Die Glasmalerei« von
Gottfried Heinersdorff, mit Einleitung von Karl Scheffler,
ist eines von den neuen, guten, die nicht ein Buch über
eine Materie der Kunst darstellen, sondern ein Buch von
ihr. Eine neue Auffassung vom Charakter des Kunstbuches
tritt so in die Erscheinung: das Gewicht ist auf die Seiten
der Tafeln gelegt; nicht mehr figurieren sie als Beigabe zu
einem Text. Das ist dem Kunstwerke gerecht und dem
absoluten Kunstverständnis nützlich. Das Publikum soll
auf das Bild sehen und nicht auf den Text hören. — Da-
mit wird seine Selbständigkeit und seine Freude wachsen.
Im vorliegenden Falle kommt das alles auch in den
Bezeichnungen zum Ausdruck. Karl Scheffler hat die Ein-
leitung geschrieben (klug das historische und heutige Bild
der Glasmalerei in den Rahmen einer allgemeinen Ästhetik
spannend, mit allen Feinheiten des Könners), von dem
Glasmaler Gottfried Heinersdorff stammt der über die Ent-
wicklung und die Technik orientierende Anhang, der Haupt-
teil — müssen wohl die hundertfünfzig Tafeln sein.

Die Glasmalerei stand auf ihrer Höhe zur Zeit der
Gotik, und daß jetzt ein Werk über die Glasmalerei er-
scheint, ist nicht erstaunlich nach dem, was man weiß über
die Sehnsucht unserer Zeit, die danach strebt, worin die
Gotik beruht: in der Architektur eine singuläre Idee zum
Extrem ihrer Erscheinungsmöglichkeit durchzubilden. —
Nicht nur dieser Stilwillen, sondern auch die Resultate
der Moderne kommen aus den konstruktiven Umständen
und ihrem Geist der Gotik recht nahe. In seiner Außen-
wand beruht auch der moderne Bau in seiner Kon-
sequenz auf dem Prinzip vom Rahmen der Träger und der
Füllung der Fläche von Stein oder Glas. Es wird sich er-
weisen, ob das Pathos der Glasmalerei es ertragen wird,
auch von den profanen Anlässen zu leben. Sie gedeiht
nicht auf jeder Grundlage. Sie machte die Wandlung mit,
die sich in der sozialen Schichtung der Auftraggeber in
Dingen der Kunst vollzog; sie kam von der Kirche zur
Bürgerschaft, und ging da in den Wappenscheiben, den
»Schweizer Scheiben« zugrunde. Die technische Schön-
heit unserer Zeit ist aber nicht arm an Pathos, und unsere
Fabriken leben in einer Ekstase des Geistes. Aber diese
Schönheit lebt nur ln der Bewegung; in Ruhe und in die
Fläche projiziert, ist sie nichts als geistreiches Ornament.
Dieses menschlich zu erfüllen, darauf kommt es an. Es
geschieht dies noch mit zuviel Zwang, noch nicht aus der
Naivität heraus. Wir sehen das z. B. daran, wie Thorn-
Prikker den Begriff des modernen Verkehrswesens in der
Hieroglyphe der Linien seiner Bahnhofsfenster umsetzt. —
Zu einem vollkommenen Erfolg in der Glasmalerei als Teil
der Monumentalmalerei fehlt uns das im hohen Sinne
dekorative Gefühl, wie es die alten Meister bei aller Bild-
innigkeit hatten. — Speziell als Glasmalerei, als Wirkung
aus der Komposition farbiger Gläser muß eine neue Aus-
drucksform geschaffen werden. Es handelt sich nicht mehr
um die Illumination tiefer Höhlen der Andacht und des
verzweifelten Gebets, ein Fenster ist nicht mehr der feurig-
bunte Stein der Verheißung im Ring an Gottes Finger,
sondern etwas Klares, durch die Schnitte Wirkendes. Das
Fenster strahlt nicht mehr, sondern erhellt. Alles ist Funk-
tion geworden.
Die ästhetische Wirkung wird hauptsächlich auf der
Führung der Linien beruhen. Das ist nun keine Forderung,
die nicht schon ihre Erfüllung gefunden hätte. Die Tafeln
des vorliegenden Werkes zeigen, daß schon zur Zeit der
Blüte das gemalte Fenster von der Linie und dem Kontur
lebte. Die Farbe war nur ein Stimmungsfaktor neben
diesem Strom der Wirkung. Das scheint auch genetisch
zu stimmen. Die Glasmalerei als Flächenanlage kommt
wohl von dem Holzschnitt her, der ursprünglich auch viel
mehr — wie ein mit Holzschnitten beklebtes Kästchen zeigt,
das für das Berliner Museum erworben wurde — zu deko-
rativen Zwecken benutzt wurde. Er beruht auf derselben
Grundlage des schwarzen Konturgrads und der eingefüllten
Farbe. Wie weit übrigens die Einflüsse fremder Kunst auf
die Glasmalerei ging, erkennt man daraus, daß manchmal
die Figuren — wie auch Heinersdorff erwähnt — in der
Luft hängen, nicht auf dem Boden stehen. Es sind dies
offenbar Übertragungen aus der Plastik des repräsentativen
Liegegrabs.
Der erst bei der Ausschaltung der Farbe in der Photo-
graphie zu führende Nachweis, daß die Wirkung des Glas-
fensters der Blütezeit künstlerisch eine Funktion des Linea-
ments ist, macht das Werk zu einem ganz modernen. Es
zeigt uns, daß die linearen Mittel, die allein uns dienen
könnten, auch die klassischen sind. Damit eröffnet es uns
einen Ausblick.
Verlegerisch ist das Werk ein Kunststück; es kostet
nur 10 Mark und kann damit das populäre Werk über eine

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