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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Migge, Leberecht; Breuer, Robert; Segmiller, Ludwig: Nachbemerkungen zur Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0096

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Bruno Taut und Franz Hoffmann, Berlin. »Das Monument des Eisens« auf der Iba 1913 in Leipzig

Ausstellung des Buchgewerbes, der graphischen Künste u. a.
denken. Aber ausgerechnet eine Schau über moderne
Baukunst?
So war denn die Beschickung seitens der auf architek-
tonischem Gebiet führenden Städte, Behörden und Körper-
schaften eine sehr lückenhafte. Einsichtige haben diesvoraus-
gesehen. Die Ausstellung gab infolgedessen kein Bild über
den gewaltigen Aufschwung, den die deutsche Baukunst in
den letzten Jahrzehnten genommen hat. Zum mindesten
gewann man darüber keinen Überblick. Die Staaten, der
preußische, bayerische Staat u.a., hatten Einzelnes aus ihren
Hochbauabteilungen beigesteuert. Manche beachtenswerte
Leistung. Bekanntlich sind sie aber in künstlerischen Dingen
selten Pioniere, müssen sich erst von Privaten und Städten
von dem Wert des Neuen überzeugen lassen. Es kann
daher das von dieser Seite Gebotene auch nicht als Ver-
tretung der modernen Architektur angesprochen werden.
Sonst sah man da und dort und in der Halle der Baukunst
des 20. Jahrhunderts Fragmente der Architekturschulen,
Einzelleistungen von Architekten, unter denen Seidls Neu-
bau des deutschen Museums und Bergs Jubiläumshalle
als Bedeutendstes hervorstachen. Damit soll nicht ge-
sagt sein, daß darunter nichts Vorzügliches gewesen wäre,
Tatsache aber ist: die Baufachausstellung 1913 zu Leipzig
war weder international noch national, weil das Ausland
fast gar nicht, Deutschland nicht erschöpfend vertreten war.
Waren in dieser Hinsicht günstige Resultate selbst
beim besten Willen nicht zu erzwingen, so hätte man mit
Fug und Recht vom Standpunkt der Ausstellungskultur
Fortschritte erwarten dürfen. Ich stehe nicht an, offen zu
sagen, daß die früheren Ausstellungen in Darmstadt, Dresden,
München, die deutsche Abteilung in Brüssel, die keine
Baufachausstellungen sein wollten, architektonisch
höher standen und besonders ausstellungstechnisch (in Hin-
sicht auf Übersichtlichkeit der Anordnung, auf sorgfältige
Auswahl der Ausstellungsobjekte) einen bedeutend höheren
Rang einnahmen. Was sah man, um gleich bei diesem

Punkt zu bleiben, z. B. in der Halle der Kunstindustrie
Minderwertiges, nicht weit vom Massenschund entfernt!
Und in welch einer unglücklichen Aufmachung! Kunterbunt
lag alles durcheinander. Überall mangelte es an einem
einheitlichen Plan, an großzügiger Durchführung. Das
einzig Erfreuliche war die Raumkunst. Auf diesem Ge-
biete wurde die sonst in deutschen Landen gewohnte
Kunsthöhe eingehalten. Hier zeigte es sich, daß die
Wohnungskultur von den Kunstburgen aus breite Bahnen
zieht und ständig Boden gewinnt. Die Architektur der
Ausstellungsbauten litt unter der Absicht, die Wirkung auf
das Völkerschlachtdenkmal zu beziehen. Dadurch wurden
sie notwendigerweise zu einem Anhängsel der gewaltigen
Schöpfung von Bruno Schmitz degradiert. Selbst der Eisen-
betonbau von Kreis vermochte wenig zu beherrschen. Im
Einzelnen stieß man auf manche gute Lösungen, z. B. den
Palast des Eisens, den österreichischen Pavillon u. a. (aber
auch Unerquickliches drängte sich dem Beschauer auf, z. B.
das Hauptrestaurant), nirgends aber erfreuten gute Gesamt-
wirkung der Bauten, geschlossene, aufeinander bezogene
Gruppen, kurz architektonische Bilder des Besuchers Auge
und Gefühl. Alles in allem, Leipzig 1913 brachte manches
Schöne, das voll und ganz anzuerkennen ist, der Titel »Bau-
fachausstellung« aber schoß weit über das Geleistete hinaus.
Im Interesse der hohen Entwicklung der neuzeitlichen deut-
schen Baukunst muß dies einmal festgestellt werden.
Für den Historiker enthält der Ausstellungskatalog
einige Denkwürdigkeiten. Im Abschnitt über Hochbau
wird die Entwicklung der neuen Bauweise der Wiener
Wagnerschule und der Darmstädter Künstlerkolonie zuge-
schoben. Der Münchner bahnbrechenden Architektenschule,
die weitere Kreise zog als sogar jene Messels, geschieht
keiner Erwähnung. Das ist ein starkes Stück. Wien, das
heute seine Gemeindebauten noch so herstellt, wie man
in München vor 25 Jahren baute, soll Anstoß zum Auf-
schwung der deutschen Architektur gegeben haben? Und
Darmstadt?

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