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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

DOI article:
Migge, Leberecht; Breuer, Robert; Segmiller, Ludwig: Nachbemerkungen zur Internationalen Baufach-Ausstellung in Leipzig
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0099

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Die Gärten der Iba 1913 in Leipzig
haben auch gänzlich Unbeteiligte eine hämische Note fest-
stellen zu müssen geglaubt. Es war eine richtig gehende
kleine Hetze. Deshalb: nur um den Eindruck zu ergänzen,
den der objektiv und frisch dreinschauende Laienbesucher
der Leipziger Baufachausstellung mit nach Hause genommen
hat, will ich hier — Umstände halber etwas post festum —
an der Hand einiger von mir selbst gefertigter Photo-
graphien einige Worte zu ihrem Verständnis sagen.
Da liegt zunächst die Frage nahe: Welchen Zwecken
dient wohl so ein moderner, notabene offizieller Aus-
stellungsgarten? Jedweder Ausstellungsgarten ist not-
gedrungen, analog dem Ausstellungsbegrilf überhaupt, ein
grünes Plakat. Als solches wird seine äußere Erscheinung
immer stark vereinfacht, stilisiert auftreten. Das unterstützt
die zumeist gegebene Funktion des Ausstellungsgartens:
Weiten zwischen den Baummassen zu füllen, architektonische
Perspektiven zu fassen, Massen von übermüdeten Besuchern,
Ruhe, Augenweide und ein angenehmes gesellschaftliches
Gehäuse zu bieten. Sind alle diese Vorbedingungen erfüllt,
so bleibt für ein etwa eigenes Wesen dieser Gärten gemein-
hin nur wenig übrig, ln Leipzig war das sogar außer-
gewöhnlich der Fall. Mit diesem kümmerlichen Rest von
bildnerischer Freiheit verzichtet man aber am besten von
vornherein auf die auch sonst zu billige Wiederholung von
längst Gesichertem und Bekanntem aus der Tagespraxis,
etwa in sogenannten Sondergärten. Vielmehr es galt: unter
allen Umständen, selbst mit einem gewissen Risiko einen


Die Gärten der Iba 1913 in Leipzig

Stoß vorwärts zu versuchen. Die Idee selbst aber war:
Aus dem Rahmen eines gegebenen Skeletts große immer-
grüne Gartenräume zu sondern und sie charaktervoll mit
Blumen zu füllen. Entsprechend gab es dann einen
Frühlingsgarten, einen Sommerblumengarten, einen Petu-
niengarten und natürlich auch einen Rosengarten, dazu
Gartennöfe, Haine, Raoatten unci vieles andere mehr
Taucht sogleich die Frage auf: Welches die Mittel
waren zur Verwirklichung solcher Ideen? Wenn man unter
Mittel das verstehen will, was man wohl durch tendenziöses
Reiben zweier Fingerspitzen aneinander anzudeuten pflegt,
so muß ich sagen: sie waren relativ gering, und es gab
mehr als genug Gelegenheit, die Tugend des Sichbescheiden-
könnens auszuüben. Aber ich meine hier besonders die
Bewältigung der veg etativen Massen und Materialien. Und
da war es schon eine nicht gerade alltägliche Aufgabe auf
einer völlig baumlosen Ebene sterilsten Bodens (die IBA
lag auf dem »Thonberg«!) die große grüne Struktur für die
Gärten zu erstellen. Noch dazu in einer, selbst für Aus-
stellungen ungewohnt kurzer Vorbereitungszeit. (Die Gärten
kommen ja leider immer noch zuletzt dran.) Es gelang
trotzdem, die riesigen Zypressen, immergrünen Hecken
und großen Bäume zu beschaffen, vorzubereiten und zu
pflanzen. Aber dieser große Rahmen ist für das eigent-
liche Gartenbild ja nicht allein entscheidend. Wenn schon
immer sonst, so ist insonderheit der auf nur eine Vege-
tationszeit angewiesene Ausstellungsgarten wesentlich das
Produkt einer raffinierten Blumenausstellung und denkbar
höchst gesteigerten Pflege. Hier aber verhinderten allerlei
schwierige Organe und Umstände zeitweise ein rechtes »in
Schuß kommen« der Kleinvegetation. Späterhin sorgte
menschliche Besinnung und die Güte der Natur für manchen
Ausgleich, wenn letztere auch so gartenbureaukratische
Entgleisungen wie das Verstümmeln der Pyramidenpappeln
im Rosenhof u. a. m. zu bemuttern, sich standhaft weigerte.
Am schwerwiegendsten waren aberdie organisatorischen
Hemmungen. Sie sind zum Teil rein fachtechnischer Natur
und hier kaum interessant zu erwähnen. Sie gipfelten in
einer, noch im vorgeschrittenen Stadium vorgenommenen
Maßnahme von geradezu umstürzlerischer Kühnheit. Ich
meine das Vertauschen der Eingänge des großen Kreuzes
derart, daß Haupteingang zum Nebeneingang wurde und
umgekehrt. Dieses unbegreifliche Unterfangen, das dem
großen Publikum natürlich unbekannt blieb, desorientierte
nicht nur den städtebaulichen Teil der Ausstellung, nicht
nur Straßen und große Plätze und große Teile der Archi-
tektur, sondern er stellte insbesondere auch die Gärten
völlig auf den Kopf. Das Publikum sah sie nunmehr von
hinten, gewissermaßen im Spiegelbild und verzerrt. Über-
haupt fehlten nun die Menschenmassen, auf die hier alles
zugeschnitten war. Denn das ist auch dem im Sehen
von Plänen Ungeübten klar, welche Zustände eintreten
mußten, wenn das Einfalltor zu der hier von allen Be-
teiligten einmütig so monumental entwickelten Denkmals-
achse gewissermaßen zugeschlossen wird. Ein einziger
Blick auf die beigegebene Vogelschau orientiert da drastisch.
Noch mehr hätte ich zu meinem Thema zu sagen,
von Bildwerken, Holz und Eisen in diesen Gärten, von
bunten Teppichbeeten glitzernen Glaskugeln, blendenden
Illuminationen und was nicht mehr. Aber der beschränkte
Raum verbietet, mehr zu geben als ein knappes Bild der
sich in Leipzig auftürmenden Schwierigkeiten und damit
zugleich für die Beurteilung dessen, was sich trotz allem
noch bot, einen Maßstab. Denn der fehlte ganz jenen
Kritikastern vom Fach, die mit guter Gelegenheit über
Nerven, Ideen und Fatum gleicher Weise leicht hinschwätzen.
LEBERECHT MIGGE, Hamburg-Blankenese
Architekt für Gartenbau

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