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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

DOI article:
Zeitler, Julius: Die Leipziger Akademie für Graphik und Buchgewerbe: zum 150 jährigen Bestehen 1764-1914
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0122

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entwicklung und schützt vor Erstarrung der Künstler-
schaft und des mit Kunst beschäftigten Menschen
überhaupt. Die selbständige Studie in Zeichnung,
Malerei und Plastik ist ein wesentlicher Teil des Zieles
der Vorschule, weil zumeist nur mit ihrer Hilfe er-
freuliche Entwürfe entstehen können. Ein Kopieren
nach Vorblättern von der Hand anderer Künstler ist
völlig ausgeschlossen, weil es die Fähigkeit zur Natur-
beobachtung schwächt und die Entwicklung der eige-
nen »Handschrift der Technik« unterdrückt. Wie weit
sind wir hier von Oesers Methode entfernt, der die
Kunstschüler nach »Lektionsblättern« zeichnen ließ!
Um den Schöpfertrieb schon während der Vorschul-
studien zur Entfaltung kommen zu lassen und den
Gestaltungstrieb des Kunstschülers zu beleben, sind
Einrichtungen zur Pflege häuslicher Kompositionen
getroffen, die von einem Fachlehrer beaufsichtigt
werden. Dies frühzeitige Entwerfen gibt Gelegenheit,
den künftigen künstlerischen Beruf des Schülers zu
erkennen, es ist die Möglichkeit gegeben, den Schüler
entsprechend seinen technischen und handwerklichen
Gaben auf die für ihn passendste Berufsausübung
hinzulenken. Zugleich werden dem Kunstschüler
schon in kurzen technischen Sonderkursen Kenntnisse
in den buchgewerblichen Spezialtechniken praktischster
Natur gegeben. Dieser technische Unterricht ist Neben-
unterricht der Vorschule, er dient zur Ergänzung ihres
Hauptunterrichtes. Mit diesen technischen Kursen
hat der Schüler Gelegenheit, sich zu prüfen, welche
Technik ihm am besten liegt; so extraktartig kurz
diese Sonderkurse sind, so machen sie doch mit den
allerwesentlichsten Zügen der Technik in einer prak-

tischeren als einer rein vortragsmäßigen Lehrweise
bekannt. Wird dem Schüler so in der Vorschule
schon eine erhebliche Erziehung zuteil, mit dem Ziel,
ihm ein gewisses Maß von Vorbildung zu verleihen,
so tritt er in eine wesentlich größere Selbständigkeit
mit der Aufnahme in die Fachschule, die sich ihm,
vorgebildet, erschließt, sobald er sich für einen be-
stimmten Zweig des Buchwesens, der Graphik oder
der Reproduktion entschieden hat. Die Fachschule
entwickelt die schöpferischen Fähigkeiten, sie pflegt
eine der Praxis ähnliche Arbeitsweise und bedient
sich hier der lebendigen Lehre des Schaffensprozesses
in Meisterateliers. Sie gliedert sich in Vorwerkstätten
für das Entwerfen bezw. die Herstellung der Modelle
und in Werkstätten, die der Ausführung dienen. In
diesem System einer Verkoppelung liegt der Kern-
punkt der Unterrichtstätigkeit. Die Lehrer sind ge-
wählt als Vertreter der wesentlichsten Kunstgebiete
und -Richtungen innerhalb des Lehrprogramms. Der
idealste Zustand wird erreicht, wenn eine Personal-
union vorhanden ist, wenn der Entwurflehrer mit
dem Lehrer der Technik eins ist. Die Hilfsschule
vermittelt den für die Vor- und Fachschule notwen-
digen Ergänzungsunterricht wissenschaftlicher Art. Die
Einrichtung der Abendschule endlich bezeugt, wie
sehr die Leipziger Akademie bestrebt ist, ihre Leistungen
der Praxis und den praktischen Vertretern des Buch-
gewerbes unmittelbar zugute kommen zu lassen. In
ihr wird wesentlich Lehrlingen und Gehilfen buch-
gewerblicher Anstalten eine weitere Ausbildung in
künstlerischer und technischer Richtung geboten.
Noch ein Wort über die von der Akademie ge-

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