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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0146

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anfänglich auch an der »Freien Gemeinschaft« der Hardt
und Wille, die nachher auf typisch berlinerische Art zu
Ende ging; so fand er bei weitem die besten und begeistern-
den Worte, als es galt, die Fraktur zu verteidigen; so ließ
er sich gutgläubig herbei, eine (man mag über die Aus-
führbarkeit dieser Idee denken, was man will) ehrlich und
gründlich geschriebene briefliche Anleitung zu kunstgewerb-
lichem Selbstunterricht zu entwerfen, und es war nicht seine
Schuld, daß der Verleger diese Arbeit zu einer unwürdigen
und unaufrichtigen Geldmacherei ausschlachtete. Man ist
es dem Andenken des Verstorbenen schuldig, nachdrücklich
festzustellen, daß er mit dem ganzen Betrieb der »Mal-
und Zeichenunterricht G. m. b. H. nicht das Mindeste zu
tun hatte. Nur, weil ihm jeder Streit und Lärm im Inner-
sten zuwider war, hat er vornehm geschwiegen zu den
phrasenhaften Anpöbelungen eines Herrn Hermann Widmer
(der sich sachverständig vernehmen lassen wollte, ohne
diese Matthiessche Schrift jemals gesehen zu haben!) Wer
wissen will, wer Matthies war, der lese in seinem, als
Privatdruck von Stempel herausgegebenen und in der Kursive
gedruckten schönen Gedichtbande »Sterne«, Ein Leben in
Liedern. Matthies hat in aller seiner Kränklichkeit das
Leben sehr geliebt: »Du zitterst, deine Blicke sinken ver-
zagt zurück zum Herzensgründe . . , und sollst doch froh
vom Leben trinken, das schnell zerrinnt im Duft der Stunde«.
Hellwag.
Dresden-Hellerau. Mit Dr. Wolf Dohm, der im
Hochgebirge beim Skilaufen tötlich verunglückte, ist eine
ganz seltene, impulsive Kraft aus dem Leben geschieden.
Dohms Name ist aufs engste mit der Entstehung und
den ersten Jahren des »Deutschen Werkbundes« verknüpft.
Er machte damals, im Jahre 1908, nationalökonomische
Arbeiten in den Deutschen Werkstätten für Handwerks-
kunst, als die große Bewegung die deutschen Künstler
ergriff und sie in München zur Gründung ihres Bundes
zusammenführte. Dohrn faßte die Idee im Keim und wußte
sie so überzeugend und belebend darzustellen und zu ent-
wickeln, daß er von vielen als der geeignetste Mann zur
Ausführung der Bundesgeschäfte erschien. In dieser Arbeit
kamen ihm sein frisches und stürmendes Organisationstalent,
seine, trotz eines kleinen Sprachfehlers glänzende Redner-
gabe und seine suggestive Persönlichkeit sehr zu statten.
Der erstaunlich rasche Aufstieg des Deutschen Werkbundes
ist diesen guten Eigenschaften Dohrns mit zu verdanken.
Allerdings halte der Bund auch unter der sprunghaften
Anlage seines Temperamentes zu leiden, als Dohrn sich
ebenso impulsiv wie plötzlich der Dalcrozeschen Idee zu
und vom Bunde abwandte. Dennoch sei dem früh Ge-
schiedenen jene erste und tatkräftige Jugendbegeisterung
nicht vergessen, mit der er die Fahne des Werkbundes
getragen hat. Auch seiner zweiten Lebensaufgabe, der
Dalcroze-Schule hat er viel Arbeit und Mühe, auch viele
Geldopfer gewidmet. Mit Staunen, aber auch nicht ohne
bedenkliche Verwunderung, sah man, mit welcher drängen-
den Begeisterung er dieser Sache einen Rahmen schaffte,
den sie unmöglich, mindestens nicht in diesem Riesentempo
ausfüllen konnte und der auch den so klug und organisch
entwickelten Schmidtschen Kulturbau der Gartenstadt
Flellerau in seinen Grundvesten zu erschüttern und zu
sprengen drohte. Seine Nachfolger werden alle Hände
voll zu tun haben, um alles das zu erfüllen, was er, um ein
Jahrzehnt vorausstürmend, ihnen vorgezeichnet hat. Das Frei-
machen und Klarlegen latenter Rhythmen in der mensch-
lichen Natur kann, wenn es glücklich am bacchantischen
Selbstzweck vorbeigelangt, sicher Gutes stiften. Ob uns aber
der Claudelsche Mystizismus nötig war? Wolf Dohrn war
auf alle Fälle eine der interessantesten Persönlichkeiten, die
uns in dieser neuwertenden Zeit begegnet sind. Heiiwag.

AUS DEN VEREINEN
Königsberg i. Pr. Im Kunstgewerbeverein wechseln
interessanteVorträge mit Diskussionsabenden und Führungen.
So wurde unter Führung des Direktors Trinte das neue
Gebäude der Fortbildungsschule besichtigt, mit deren über-
sichtlicher und wohldurchdachter Einrichtung eine Muster-
leistung vollbracht worden ist. — Zu einem Fachabend für
Dekorationsmaler gestaltete sich eine Ausstellung von Ent-
würfen für Wand- und Deckendekoration und mit Scha-
blonen bemalte Stoffe, die alle vom Lehrer an der Kgl. Kunst-
gewerkenschule, Herrn Maler Steuer stammten, und von ihm
selbst in Bezug auf Technik und Herstellung erläutert
wurden. Die anwesenden Fachleute beteiligten sich eifrig
an der Diskussion. Über das »Zimmer der Biedermeierzeit«
sprach Herr Architekt Renzel und wußte durch Wort und
Bild jene interessante Kulturperiode fesselnd zu veranschau-
lichen. Eine guten Erfolg hatte Fräulein M. Peters, Lehrerin
an der Ostpreußischen Mädchen-Gewerbeschule, mit der
Vorführung von Kunsthandarbeiten ihrer Schülerinnen.
Den zahlreich erschienenen Damen gab sie manchen wert-
vollen Aufschluß über die Arbeitsweisen und Auswahl der
Farben und des Materials. Herr Prof. Dr. Ulbrich plau-
derte anregend über die Eindrücke, die er bei einer Reise
nach London empfangen hatte. Über deutsche Qualitäts-
arbeit und die Entwicklung der Gewerbe im Osten, sprach
der Vorsitzende Prof. Rodemeier. Seitdem wir aus den
Stilverwirrungen herausgekommen sind, hat sich die Pro-
duktion unserer Möbel und Gebrauchsgegenstände insofern
vertieft, als nicht mehr der Wert auf den äußeren Schmuck
der Gegenstände, sondern auf ihre Zweckmäßigkeit, Ma-
terialechtheit und Arbeitsgediegenheit gelegt wird. Es ist
dies ein wesentlicher Umstand für die Bedeutung unserer
Produkte auf . dem Weltmarkt, nur durch vollkommenste
Zweckmäßigkeit und Zuverläßigkeit kann das Vertrauen
im ln- und Auslande für unsere Waren gewonnen werden.
Nach statistischen Feststellungen und auch nach den neuesten
Mitteilungen des Reichsschatzsekretärs, ist unsere Ausfuhr
in beständigem Steigen begriffen. Um in dieser Richtung
weiter vorwärts zu kommen, ist es erforderlich, daß jeder
Gewerbetreibende, jeder Industrielle und auch das gesamte
Publikum weiter danach strebt, nur wirklich gediegene
Ware herzustellen bezw. zu kaufen, und daß das Publikum
jeden Schund zurückweist. Nicht mehr »billig und schlecht ,
sondern »teuer und gut« sei der Wahlspruch eines jeden
strebsamen Gewerblers und Industriellen. Die Hebung
von Industrie und Gewerbe [im Osten beruht in hohem
Maße auf Verbesserung und Vermehrung der Verkehrs-
wege, der Verbreitung und Verbilligung der elektrischen
Kraft und Ausnutzung des in der Provinzjnassenhaft vor-
handenen Torfs, zur Erzeugung der Kraft. Die Eisenbahn-
verbindungen nach dem Westen sind vermehrt und ver-
bessert worden, der Masurische Kanal als wichtige Wasser-
straße ist im Bau begriffen. Im Westen werden schon
seit Jahren umfangreiche Versuche zur Erzeugung der
Elektrizität durch Torf (Methode Francke-Care) mit großem
Erfolg gemacht. In der nachfolgenden Aussprache wurde
wiederholt der alten Klage lebhaft Ausdruck gegeben, daß
die Behörden in den Submissionen fast immer noch dem
Mindestfordernden den Vorzug geben, zum Schaden des
reellen Gewerbetreibenden,-der keine schlechte Arbeit liefern
wolle.
Erfurt. Der einsichtige Handwerker ist heute der
Überzeugung, daß das Handwerk ohne Mitwirkung der
Kunst nicht vorwärts kommen kann, dem Auftraggeber
fehlt in vielen Fällen das Urteil über Technik und Form.
Beiden will die hier neugegründete Beratungsstelle für
Handwerkskunst (Bund Heimatschutz, Landesverein für den

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