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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Hellwag, Fritz: Die Kunstgewerbeschule in Magdeburg: zu den Abbildungen aus der letzten Ausstellung von Schülerarbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0210

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keine Ausnahmen und zwischen den beiden Auffassungen
gibt es nur noch einen Streit auf Leben und Tod, wenn
auch in der Praxis nicht alles ganz so heiß gegessen
wird, wie es in der Theorie angerichtet wurde.
Immerhin, wer so kategorisch, wie Rudolf Bosselt,
ein experimentelles Programm aufstellt, muß sich kräftig
genug fühlen, den schnell entfesselten Dilettantismus
in die Bahnen der Kunst zu lenken und das böse,
aber bei den Gegnern sehr beliebte und vom kom-
pakten Auditorium stets applaudierte Schlagwort vom
»Treibhaus« durch Taten zu entkräften.
Es gibt zwei Arten, die persönlichen Veranlagungen
und Neigungen der Kinder zu prüfen und zu erwecken.
Einmal den Handfertigkeitsunterricht, wie ihn Kerschen-
steiner an den Münchener Volksschulen eingeführt hat. Er
bezweckt, die Kinder empfinden zu lassen, daß sie nicht
allein mit dem Kopf, sondern auch mit der Hand schaf-
fen, »werken« können. Meist wird helle Begeisterung
und Freude am »Basteln« erweckt; der Lehrer sieht schnell
den angeborenen Grad manueller, technischer Begabung
und Geschicklichkeit und kann den Wunsch, einen hand-
werklichen Beruf zu ergreifen, vorbereiten und fördern.
Die andere Art will »wie unter einer Wünschel-
rute die tiefsten Quellen künstlerischen Schaffens, —
das starke Gefühl für Rhythmus und Ausdruck —
aufspringen lassen«. Die gestellten Aufgaben sind
deshalb nicht, wie beim Handfertigkeitsunterricht, tech-

nische, sondern darstellerische, die selbst im unfertigsten
Resultat die Besonderheit des Innenlebens erkennen
lassen sollen; dazu ist beinahe notwendig, daß die
Aufgaben, Beweggründe nicht vom Lehrer »gestellt«,
sondern vom Kinde selbst erwählt werden. Es ver-
sucht, zeichnerisch darzustellen, zu erzählen, welches
Erlebnis sich ihm irgend einmal eindrucksvoll ein-
geprägt hat, wenn nicht gar die lebendige Phantasie es
zur freien Erfindung irgend einer Szene verlockt, die
dann meist humoristisch oder grotesk gegeben wird.
Solche »Kinderkunst« wird nun schon an manchen
Schulen in besonderen Kursen geübt, die mit dem
eigentlichen Schulbetrieb noch nichts zu tun haben,
sondern meist vom Städtischen Kuratorium ihm äußer-
lich angegliedert sind, um, durch frühzeitige Auslese,
keine Keime verloren gehen zu lassen. In Magdeburg gab
es im letzten Jahre vier solche Klassen, die im Sommer
von 80 Schülern und 9 Schülerinnen, im Winter von
82 Schülern und 15 Schülerinnen besucht wurden.
Die Leitung lag in den Händen der Lehrer Albers,
Fiebiger, Hoffmann und des Bildhauers Wewerka. Auf
Veranlassung der Stadt werden in einem Album von
40 Blättern die Methoden und Leistungen gezeigt auf
der »Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und
Graphik, Leipzig 1914«, in der Abteilung »Schule und
Buchgewerbe«. Die mehr oder minder starke, sehr
verschiedenartige Begabung äußert sich hier zunächst

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