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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

DOI Artikel:
Zeitler, Julius: Kunstgewerbe und Buchkunst auf der internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, Leipzig 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0232

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Flügel vor allem die photographi-
sche Industrie, die Buchdruckerei
und die Schriftgießerei.
Das Buch ist ein spröder Aus-
stellungsgegenstand, denn wenn
man es genießen will, muß man
es lesen. Dem oberflächlichen Aus-
stellungsbesucher, dessen Blick hier
über Millionen von Bänden schweift,
wird es bald einförmig erscheinen,
dem tiefer sehenden erschließt sich
auch hier der außerordentliche Dif-
ferenzierungsprozeß im Bücher-
wesen. Denn alle diese unzähligen
Autorenseelen dringen durch die
Hülle heraus und äußern sich im
Einband durch den Verlagscharakter
in ganz individueller Weise. Streng
genommen gehört das Buch zu
den individuellsten kunstgewerb-
lichen Gegenständen, die denkbar
sind. Jeder Autor verlangt sein
eigenes Kleid aus seinem Gehalt
heraus, und keines dürfte dem an-
dern gleichen. Der individuelle
Charakter des Buchs wird wieder
umschlossen von dem einzelnen
Verlagscharakter, dieser bildet die
nächst höhere Einheit, und es war
darum ein sehr glücklicher Gedanke
vom deutschen Verlag, daß er sich
in die einzelnen Verlagsorte glie-
derte und innerhalb dieser wieder
in Einzelkojen und -zimmern die
einzelne Verlagsindividualität zum
Ausdruck kommen ließ. Es ist
charakteristisch, daß die in ihren Er-
zeugnissen einen guten Geschmack
ausprägenden Verleger auch zu-
gleich diejenigen waren, denen die kunstgewerbliche Ge-
staltung ihres Raumes am feinsten gelungen ist. Dies
wird in der Berliner Abteilung, die an der Stirnseite
der Halle, von der Straße des 18. Oktobers her, ein-
gerichtet ist, am deutlichsten an der Gruppe der
modernen Verlage ersichtlich, in der Fischer, Bard,
die Cassirer, Bondi und u. a. der Hyperionverlag aus-
stellen. Heinrich Wieynk hat diese Räume, in deren
Vitrinen zahlreiche buchkünstlerische und graphische
Erlesenheiten des Beschauers harren, mit einem treff-
lichen Geschmack zusammengefaßt. Zur dekorativen
Umrahmung seiner Gesamtausstellung wählte der Ber-
liner Buchhandel ein Tonnengewölbe, das er vom Archi-
tekt Raymund Brachmann entwerfen und von Prof.
Horst Schulze mit symbolischen Gestalten ausmalen
ließ. Eine Sammlung schöner alter historischer Berliner
Drucke ist in einer Art Ehrentempel in der Mitte des
Raumes untergebracht. Von den Berlinern sei noch
die Weidmannsche Buchhandlung erwähnt, weil sie
den Übergang von dem Verlegenheitsmittel des Biblio-
thekszimmer zu einer mehr interieurhaften Gestaltung
glücklich zeigt. Weit intimer ist die Ausstellung des

Leipziger Verlags; die Kunst, dem Buch einen wirk-
samen und schönen Rahmen zu geben, feiert hier
wahre Triumphe, im Gesamtplan dieser Gruppe hat
der Architekt Würzler-Klopsch etwas ganz Gediegenes
und Außerordentliches geleistet. Die Decken sind
niedrig gezogen, die Räume abgeschlossen, die überall
in diskretester Weise verwendeten Farben übermitteln
ein Beschaulichkeit und Behaglichkeit, wie sie dem
Buche allein angemessen ist. An der intimen Aus-
gestaltung dieser Zimmer ins Interieurhafte hinein,
mit Schränken, Vitrinen, Bildern, in die Umwandlung
zu Lesekabinetten, zu kleinen Privatmuseen, zu Stätten
der innersten Sammlung entspann sich unter den
Leipziger Verlegern ein wahrer Wetteifer. Besonders
beachtenswert sind u. a. die Räume von S. Hirzel,
von Brockhaus, von E. A. Seemann, bei dem die
Kunstgeschichtswerke und die Farbendrucke ein sehr
wirksames Motiv boten, von Haessel, dieser Ehrenhalle
für C. F. Meyer, von A. Kröner (mit der imponierenden
Büste Nietzsches von Klinger), von Reclam, von
Hiersemann, von Quelle & Meyer (von Prof. Belwe
ausgestattet), von Veit & Co. (von Würzler-Klopsch

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