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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Zeitler, Julius: Kunstgewerbe und Buchkunst auf der internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, Leipzig 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0233

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ausgestattet). In der weiß und schwarz gehaltenen
Koje des Inselverlags schuf van de Velde ein Aus-
stattungsstück von hoher Kultur, die völlig weiße
Koje des Tempelverlags und des Kurt Wolff-Verlags
bekam von Würzler-Klopsch ihre vornehme kunst-
gewerbliche Form. Im Ehrenensaal des Leipziger
Buchhandels freut man sich an den klugen und hu-
moristischen Statistiken, in deren Bildern Erich Grüner
die trocknen Ziffernreihen auf vorbildliche launigste
Weise lebendig gemacht hat.
Die Räume des Münchener Buchhandels sind in
einer schwarzgelben Dekoration gehalten, der Gesamt-
entwurf rührt von Otho Orlando Kurz her, besonders
repräsentativ ist der Hauptraum, in dem Georg Müller,
Piper, Weber und andere ihre prunkvollen Schätze
darbieten. Sehr schön hat auch die Firma Bruckmann
ihre Werke zur Schau gebracht, auch der Kunstwart-
verlag ist hier bemerkenswert. Der Raum des Stutt-
garter Verlags ist von Regierungsbaumeister Fuchs
besorgt; als Mittelpunkt hat er eine große Ehren-
rotunde, in der die Bedeutung des Stuttgarter Buch-
handels besonders in der klassischen Zeit vor Augen
geführt wird. An der Abteilung des Musikalienbuch-
handels fällt uns besonders das Bibliothekszimmer
eines Musikliebhabers auf; gleichfalls das Werk von
Würzler-Klopsch, enthält dieser Raum kunstgewerblich
entzückende historische Musikinstrumente. Einige in
der Nähe liegende Räume sind von dem Braunschweiger
Innenarchitekten Zeidler entworfen, den Mittelpunkt
des Musikverlags aber bildet der vornehme Konzert-
und Vortragssaal, der von den Deutschen Werkstätten
eingerichtet und ausgestellt ist. Wenn in dieser Gruppe
der Verleger nur wenig auf einzelne Firmen und gar
nicht auf spezielle Verlagswerke buchkünstlerischer
Provenienz eingegangen werden konnte, so sei um so
mehr auf die Verwendung verwiesen, die fast allent-
halben das Verlagssignet in dekorativem Sinne ge-
funden hat, es ist nicht nur die Echtheitsmarke, die
der Verleger jedem Buche mit auf den Weg gibt,
sondern, in raumkünstlerischer Hinsicht, auch das
vornehmste dekorativ-symbolische Zeichen, das sich
für Innenaussattungen anbietet.
Steht nun der Verleger am einen Pol aller der
gewerblichen Entwicklungsstadien, die durchlaufen
werden müssen, damit ein Buch entsteht, an der
Stelle, wo die Handelsinitiative, die wirtschaftliche
Befruchtung wirksam ist, so werden wir heute an
den andern Pol den Schriftgießer stellen, als den-
jenigen Faktor, von dem wir das Element des Ver-
legers und Druckers, die künstlerische Type, erhalten.
Hier ist überhaupt eine der tiefsten Wurzeln der Aus-
stellung, hier vor allem kann man die Erfolge und
Leistungen unserer deutschen Buchkünstler spüren,
hier prägen sie sich am elementarsten aus, in aller
organischen und konstruktiven Schönheit, vielleicht
mehr als in ihrer eigenen Ausstellung, dort, wo sie
das Buchganze in einem allgemein schmückenden Sinne
zu umfassen streben. Die Ausstellung der Schrift-
gießer befindet sich im rechten Flügel der großen
Haupthalle, zusammengehalten im Verein der deutschen
Schriftgießereibesitzer. Gebrüder Klingspor-Offenbach

haben ihren Schriften von Hupp, Behrens, Tiemann,
Koch einen ganz weißen Rahmen gegeben. Die
Bauersche Gießerei (mit der Weiß, der Hajduck, der
Wieynk), Flinsch (mit der Bernhard), Ludwig & Mayer
(mit der Cissarz-Latein und der Spitzenpfeil) haben
ihre schönen Schriftschöpfungen gleichfalls in ge-
schmackvolle Interieurs gelegt; die Firma Stempel
(mit Typen von Kleuckens, Ehmcke, Matthies, Jaecker)
führt den Schriftguß praktisch vor. Eine sehr schöne
Koje haben sich Genzsch & Heyse (Czeschka-Type)
nach Entwurf ihres ihres Schriftkünstlers Prof. Steiner-
Prag von Albert Müller bauen lassen. Der Gravier-
anstalt Zierow & Meusch hat Würzler-Klopsch eine
sehr praktische Einrichtung gegeben. Eine lange Reihe
von Typen von Grimm-Sachsenberg und Delitsch
bringt Julius Klinkhardt zur Schau, die Liebingtype
wird von der Schriftgießerei Böttger, Belwe-Schriften
von Scheiter & Giesecke, Typen von Prof. Schiller von
C. F. Rühl ausgestellt. Man möchte allen, die zu
träge sind, sich in unser modernes Schriftmaterial ein-
zulesen, raten, bei Larisch einen Lesekursus zu nehmen.
Der Vorwurf der Unleserlichkeit, der unseren mo-
dernen Schriftschöpfungen gemacht wurde, ist ein
ganz absurder und unberechtigter; alle Welt sieht
heute mit neuen von der Traditionsbrille unbewehrten
Augen, man sollte es endlich einmal lernen, auch
unsere Schriften mit vorurteilslosen, unbefangenen
Augen zu genießen und aufzufassen. Was aus solchen
Schriften gemacht werden kann, wenn vor allem auch
ein künstlerischer Sinn darüber waltet, das lernt man
in der außerordentlich schönen Ausstellung, die in
der benachbarten Abteilung des Buchdruckervereins
die Buchdruckerei Poeschel & Trepte in Leipzig ein-
gerichtet hat; an Werken (Tempelklassiker), wie an
Pressedrucken, an Reklamedrucksachen, Ehrenurkunden
bewährt sich hier ein sicherer und vorbildlicher Ge-
schmack, in dem die Kunst des Setzens und Drückens
einem sehr hohen Niveau zugeleitet ist. Sein typo-
graphisches Interesse findet man ferner in der Koje
der Spamerschen Buchdruckerei, von A. Müller ein-
gerichtet, gefesselt. Sonst enthält die Abteilung neben
vielem Ausgezeichneten vereinzeltes Fragwürdige; der
allgemeine Stand ist aber ein erfreulicher und hoch-
gearteter. Erwähnt sei der Buchdrucker-Ehrensaal von
Architekt Böhme; die Innenausstattung von Poeschel
& Trepte, mit den trefflich angeordneten Verglasungen,
Eckvitrinen, Schauschränken und dem Relief des
Deckenfrieses rührt von Architekt Herold-Leipzig her.
Die Kunst des Bucheinbindens finden wir im Mittel-
bau der Buchgewerbehalle von einer Reihe von Firmen
vertreten, wie Hübel & Denk, deren salonartigen
reichen Raum Würzler-Klopsch entwarf, wie u. a.
E. A. Enders, die Spamersche Buchbinderei, die Leip-
ziger Buchbinderei A.-G. vorm. Gustav Fritzsche;
letztere drei in Innenausstattungen sehr vornehmen
dekorativen Charakters und mit sehr interessanter
gegenseitiger Abhebung und Unterscheidung von
Albert Müller-Leipzig. Es ist ja überhaupt ein Wesens-
zug, daß die Großbindereien sich neuerdings sämtlich
Werkstätten für handgearbeitete künstlerische Einbände
angegliedert haben, die sie unter Leitung von an-

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