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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Zeitler, Julius: Kunstgewerbe und Buchkunst auf der internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, Leipzig 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0234

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erkannten Buchkünstlern stellten, in denen sie Original-
entwürfe von solchen ausführen lassen. Der typische
Verlegereinband, der sich ja in den letzten Jahren in
seiner künstlerischen wie in seiner technischen Qualität
stark gebessert hat, tritt in diesen Räumen etwas
zurück; der luxuriöse Einzeleinband steht im Vorder-
grund und die Leistungen erreichen hier einen solchen
Grad, daß sich das Herz des Kenners vor diesen
Vitrinen in wahre Verzücktheitsschwingungen versetzt
fühlen muß. ln dieser Gruppe nimmt auch noch
die weitgedehnte Ausstellungsvitrine des Karl-Krauße-
Bundes deutscher Kunstbuchbinder unsere Aufmerk-
samkeit in Anspruch; Einbände von Weidemeyer,
von Dorfner und Weiße erzwingen hier die höchste
Aufmerksamkeit.
Die große Haupthalle birgt aber noch andere
Schätze, bei denen der Kunstgewerbler gleichfalls Halt
machen muß. Da ist zunächst die Ausstellung der
Reichsdruckerei zu nennen, die sich neuerdings am
Wettbewerb um Pressedrucke für Bücherliebhaber
scharf beteiligt. Ihre typographischen Erzeugnisse
— solche für Ohle, Weber u. a. sind mit ausgestellt —
haben aber auch ihre eigene Schönheit und es ist
erfreulich, daß wir auch dieses Institut mit Poeschel,
Enschede, Holten im Reigen der bedeutenden Druck-
stätten unserer Zeit marschieren sehen. Wenn wir
schon allenthalben die Drucksache in ihrer künstle-
rischen Durchbildung gefördert sehen, das ganze Ge-
biet der typographischen und graphischen Flächen-
dekoration bewundern, wie in der großen Abteilung
Graphisches Sammelwesen, die im Mittelbau der Aus-
stellung, erstes Stockwerk, zur Darstellung gelangt ist.
Plakatkunst, Exlibriskunst, das ganze Reich der künst-
lerischen Reklame vom Warenetikett bis zur Reklame-
marke finden hier ihre Ausprägung. Der bescheidenen
und doch so interessanten Kleinkunst der Reklame-
marke ist ein eigenes hübsches Tempelchen gewidmet.
Ein wahres innendekoratives Schmuckkästchen stellt
das Kabinett eines Bibliophilen dar; hinter der Aus-
stellung des Kaisers (Hohenzollern-Bibliothek) gelegen.
Der Gesamtentwurf dieses entzückenden, von den
Schätzen der Sammler erfüllten Raumes, rührt vom
Architekt W. Müller von der Kunsttischlerei Albert
Müller in Leipzig her. Der Raum ist in drei Teile
gegliedert, der mittlere enthält an der breiten Wand-
fläche vier große Schränke aus afrikanischem Birn-
baumholz, die in einem hellen Rotbraun anpoliert
sind. Der Fußboden hat einen gemusterten Steinholz-
belag, die Wände haben Stoffholzbespannung. Wand-
schränke in tiefen Fensternischen, mit hohen bunt-
verglasten Fenstern, nehmen feinste Seltenheiten, wie
Mikroskopika usw. auf (hier trifft man auf die Kurio-
sität des kleinsten Buches der Welt); der eine Ausbau
ist als Erker einer alten Schloßbibliothek ausgeführt,
mit Werkstein, rauhem Putz und einem dunklen ge-
schnitzten eichenen Sammlungsschrank. Der gegen-
überliegende Ausbau enthält, von einer freundlichen
Schloß-Paretz-Tapete umrahmt, vier helle Kirschbaum-
holz-Schränkchen und einen hohen weißen Marmor-
kamin. Die bibliophile Sammlung von Frau Ida Schöller
befindet sich ganz in der Nähe in einem historischen

Bibliotheksraum, dessen einheitliche Gestaltung nach
Möbeln des 17. Jahrhunderts Wilhelm Schleicher-
Düsseldorf besorgt hat.
Von der Druckerkunst der ausländischen Staaten,
wie sie sich auf der Bugra präsentiert, kann nur ganz
knapp gesprochen werden. Vor allem imponiert der
reiche Inhalt des österreichischen Hauses, der, gehoben
von dem dekorativen Genie eines Joseph Hoffmann
und mit einer unvergleichlichen Delikatesse in Schwarz-
Weiß-Kontrasten ausgestattet, rückhaltlose Bewunde-
rung verdient. Das historische Sammelwesen ist
meisterhaft zum Ausdruck gebracht, in der Abteilung
der Plakate und der Schriftkunst fesselt uns vor allem
Rudolf Junk; typographisch finden wir allenthalben
Arbeitsergebnisse der Wiener Werkstätte verwertet.
Aber auch von der K. K. Hof- und Staatsdruckerei,
sowie von der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt
gehen die bedeutsamsten und tiefsten Anregungen aus.
Den Schreibkursen von Rudolf Larisch in ornamen-
taler Schrift geht man mit Vergnügen nach, vom
Mährischen Landesamt für Gewerbeförderung in Brünn
sehen wir vorbildliche Leistungen ausslrahlen. In der
kunstgewerblichen Reform der Geschäftsbücher er-
weisen sich F. Rollinger-Wien als sehr tüchtig; auf
ihrem Gebiet haben es Firmen wie Angerer 8t Göschl,
Gerlach & Wiedling, Christoph Reißer u. a. zu ganz
außerordentlichen, unübertrefflichen Leistungen ge-
bracht. Im englischen Haus freut man sich besonders
an der Exaktheit und Solidität der Erzeugnisse aus
den Oxford- und Cambridge-Universitätsbuchdrucke-
reien. Die Zeichnungen von Beardsley, Crane, Greenaway
sind schon historisch. Das Kinderbuch ist besonders
hübsch vertreten. Dänemark kann mit Einbänden von
Bindesböll und Anker Kyster u. a. wirkungsvoll auf-
marschieren. Italien hat in seinen Aldinen einen
Erbschatz der Tradition, dem es mutig nacheifert.
Frankreich verblaßt daneben. Der russische typo-
graphisch-graphische Kunstgeschmack aber wurde auf
der Bugra geradezu eine Offenbarung, hier ist Neu-
land, und bei uns zeigt eine Künstlerin wie Elena
Luksch-Mackowska, wohin der Weg führt.
Alle jene buchkünstlerischen Eindrücke, deren wir
schon bei den Verlegern, den Schriftgießern, den
Druckern und Buchbindern teilhaftig wurden, gelangen
auf ihren symphonischen Gipfel, wenn wir, angelehnt
an die Säle der »Freien Graphik« im Schutz der
Betonkuppel der Kulturhalle, die Abteilung für Neu-
zeitliche Buchkunst und angewandte Graphik betreten.
Es ist ein äußerst praktischer, köstlich disponierter
Raum, den die »Werkkunst«-Berlin entworfen undaus-
geführt hat. Hier ist zum erstenmal für Vitrinen ge-
sorgt, in denen man die typographischen Eingeweide
eines Buches ebenso bewundern kann wie sein Äußeres,
seinen Schnitt und seine Dekoration. Diese herrliche
Ausstellung wurde vom Verein deutscher Buchgewerbe-
kiinstler organisiert, den Direktor Seliger gegründet
hat und der unter Leitung von Prof. Walter Tiemann
steht. Die Ausstellungsleitung selbst hatte Professor
Steiner-Prag. Wir brauchen auf unsere Kultur noch
lange nicht hochmütig zu sein, aber wenn man sich
hier vor Augen führt, was für Resultate die Buch-

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