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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Zeitler, Julius: Kunstgewerbe und Buchkunst auf der internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik, Leipzig 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0235

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kunstbewegung in den letzten 10—15 Jahren — länger
dauert ja das Ringen um den Buchstil eigentlich noch
nicht — erarbeitet hat, dann hat man allen Grund,
auf diese Bewegung und ihre führenden Kräfte stolz
zu sein. In keinem anderen Land wurden auf dem
gleichen Gebiete so rapide Fortschritte gemacht, die
englische Bewegung ist überholt und Leistungen, wie
etwa in den dänischen Einbänden, sind heute auch
technisch erreicht, in der Dekoration weit übertroffen.
Es ist ein heißes Ringen der Köpfe um die dem Buch-
charakter vollkommen angemessenen künstlerischen
Stilprinzipien, eine unablässig intensiver sich voll-
ziehende Durchdringung der Technik und der orna-
mentalen Form. Die Zeiten des Jugendstils mit ihrem
Kultus der plakatartigen Broschurumschläge währten
lange genug — wie weit, wie ins Wesenlose ver-
schollen scheinen sie heute hinter uns zu liegen.
Welch gewaltige Summe von Leistungen hat sich so
gehäuft, seit Grautoff 1901 seine Geschichte der mo-
dernen Buchkunst abgeschlossen hatte! Was dieser
Saal an köstlichen Errungenschaften vereinigt, ist
hauptsächlich das Resultat der letzten halbdutzend
Jahre. Außerordentlich interessant ist, zu beobachten,
wie auch jener dekorative Buchschmuck abwirtschaftete
und ein Ringen um die Schriftgestaltung einsetzte,
um die Neuformung der Type. An dieser Arbeit
beteiligten sich auch sehr verdiente Buchdrucker, teils
durch ihr historisches Letternmaterial, teils durch ihren
Geschmack. An jenen historischen Lettern, so gut
wie an der Geschichte der Schrift und der Buchdruck-
kunst überhaupt, rankten sich die neuen Schrift-
schöpfungen empor, und wenn auch noch manchen
die Farbe einer Tradition anhaftet, das eigentliche
der Leistung ist modern. Wir wollen es auch keinem
Künstler verargen, wenn er das Alte einmal bis an
die Zähne herauf satt hat, wenn er sogar mit Gewalt
Neues schaffen will, der Fehlgriff ist die Voraus-
setzung des Guten, der Mostzustand muß allem süßen
Wein vorangehen. Auch der Vorwurf der Unleser-
lichkeit ist allzu leicht gemacht, eine neue Schriftform
kann es nun einmal dem Leser nicht so bequem
machen. Von der Type erst ging es dann zur wahrhaft
künstlerischen Satzgestaltung, zum künstlerischen Ein-
band, zur modernen Illustration. Offenbarte sich in
den Pressedrucken das typographische Können dieser
Schar, so machte sie sich anderseits um das Entstehen
von neuen Buchbindekunstwerkstätte nverdient, in der,
gerade im Gegensatz zum regulären
Verlegereinband, der künstlerische
Handeinband ganz anders gepflegt
werden konnte, als es bisher möglich
war. Es fehlt völlig an Raum, um
den individuellen Tendenzen dieses
Kreises gerecht werden zu können,
das mehr Dekorativ-Schöpferische
dort von dem strengen Typengestal-
terischen, Mathematisch-Geschmack-
lichen hier zu differenzieren, den Weg
zu beschreiben, den hier Innentitel
und Einband, sei es Pappe, Leinen
oder prunkvollstes Maroquin, von der

Willkür zu den gebundensten Gesetzlichkeiten, wie in
den Einbandschöpfungen von Tiemann und Steiner-
Prag, nehmen. Es muß einer neuen Ästhetik der Buch-
kunst Vorbehalten bleiben, von dieser Ausstellung zu
lernen. Aber mit rückhaltloser Freude schreitet man
durch diese Qualitätsschau der Schriften von Behrens,
Tiemann, Steiner, Koch, Belwe, Schiller, Kleuckens, der
Titel von Ehmcke, Hupp, Bernhard, der Illustrationen
von Preetorius, Heine, Unold, Christophe, Müller, der
Einbände von Wieynk, Grüner, Lorenz, Behmer, viele
darunter sind auf jedem Felde Meister, wie der Buch-
künstler überhaupt etwas Universelles haben n
und nicht selten auch Architekt und Raumkünstler 1
In der Mitte des Saales zeigt ein quadratischer Einba
als eine Art »Internationaler Ehrensalon« Werke von
Axel Gallen, Werenskiöld, Somoff, Nieuwenkamp u. a.
Es gibt schwerlich eine Abteilung in der Bugra, die
den fortschrittlichen Kunstgewerbler mit solcher Be-
friedigung erfüllen muß wie dieser Saal unserer Buch-
künstler.
Zum Schluß sei noch ein Blick auf die Darbie-
tungen des Fachschulwesens auf der Ausstellung ge-
worfen, soweit es buchkünstlerischen Charakter hat.
In der Halle des buchgewerblichen Bildungswesens
begegnen wir sehr anerkennenswerten Bestrebungen;
so gleich in den Gruppen der Leipziger Buchhändler-
lehranstalt und Buchdruckerlehranstalt; das Beispiel
der führenden Künstler der Stadt ist hier nicht un-
bemerkt geblieben. Die Zittauer Gewerbeschule und
die Dresdener Buchbinderschule zeigen einen sehr
löblichen Eifer. Brillante Packungen, Etiketten und
Reklamedrucksachen hat Barmen ausgestellt; ausge-
zeichnete Einbände von höchster technischer und
geschmacklicher Qualität hat die Großherzogliche
Kunstgewerbeschule zu Weimar gebracht. In einem
festlichen Reichtum bewegt sich Hamburg, gedrungener,
werkmäßiger stellen die entsprechenden Anstalten von
Stuttgart aus. Als Hauptstätte dieses Kunstgewerbe-
schulzweiges, den sie aber in einem ganz umfassenden
Sinne vertritt, und der auch keineswegs ihr einziger
Inhalt ist, muß die Leipziger Akademie für graphische
Künste und Buchgewerbe begrüßt werden, die ihre
Schülerarbeiten in der linken Hälfte des sächsischen
Staatspavillons ausgestellt hat. In weiten Räumen
sieht man hier die Klassen, unter Seligers stetem An-
sporn, darum ringen, auf ihrem Felde die höchste
Leistung an den Tag zu stellen. So ist es eine Art
Jubiläumskleinod geworden, was
dieses Haus umschließt, hat ja erst
das 150 jährige Bestehen der Anstalt
überhaupt den Anlaß zur Ausstel-
lung gegeben. So ist die Bugra
ein Schrein des Edelsten auf buch-
gewerblichem und buchkünstleri-
schem Gebiet, und zur Mehrung
dieses Schatzes das Höchste und
Beste auch in der Zukunft beizu-
tragen, das muß der Akademie
in ihrem Jubiläums- und Bugra-
Jahr die schönste Genugtuung be-
reiten. n


C. Dell’Antonio, Warmbrunn: Bürgermeister
Rözel und Frau. Birnbaum, 1905
 
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