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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Hellwag, Fritz: Der deutsche Werkbund und seine Künstler, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0052

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äußerliche Aufmachung beschränkten. Tausendfach
sind die Bedürfnisse der Bauherren zu reizvollen
Schöpfungen von Bürgerhäusern erhoben worden,
und so wäre es mit ihnen auch geschehen, selbst
wenn sie sich durch die Jahrhunderte gleich geblieben
wären. Der Wohnhausbau ist erst dann zur nackten
»Vier Wände-Aufrichtung« gesunken, als die Bau-
künstler zu Maurermeistern wurden. So war es auch
in der Gewerbekunst gegangen: aus den herrlich be-
lebten Nutzformen der Gotik und des Barocks
machten die Musterzeichner des Maschinen-Zeitalters
(die »Hauskünstler« der Fabrikanten) eine mit Phrasen
bekleisterte Dutzendware.

Und heute verlangt die Zeit von unseren Künstlern,
die erst anfangen, ihre eben erlangte Selbständigkeit
und Schöpferkraft zu üben, eine Massen wäre! Ist es
den Künstlern zu verdenken, wenn sie sich gegen die
Auffassung wehren, ihr (der Künstler) Ende (Voll-
endung) sei bereits erreicht, und man dürfe jetzt ge-
trost die deutsche Kultur ausstanzen und in Stapeln
dem Export übergeben? Freilich sehen die Künstler
damit viel zu schwarz und es stellen sich nicht alle
Außenstehenden die Eroberung des Weltmarktes so
leicht und einfach vor. Aber es ist doch das Gefühl
für die Notwendigkeit fortgesetzten künstlerischen
Wachstums längst nicht genügend gepflegt und ver-
breitet, daß wir ohne Sorge sein dürften. Deshalb
ist es gut, immer wieder darauf hinzuwirken, daß
stets neue Vorbilder geschaffen und auch von ver-
ständigen Leuten angenommen werden.

Hier mitzuwirken und anzudeuten, sind die Aus-
stellungen bestimmt. Alle anderen Aufgaben treten
hinter dieser zurück, und Schaumärkte gibt es ohne-
dies genug. Die »Deutsche Werkband-Ausstellung
Köln IQ14« hat ihre Pflichten nicht schlecht erfüllt,
wenn sie auch von gleichgültigen Dingen stellenweise
überwuchert war. Es ist ihr gelungen, entweder
selbst als Anreger ungebundener künstlerischer Auf-
gaben aufzutreten oder solche Auftraggeber bei sich
zu Gaste zu haben, die verständnisvoll alte Probleme
auf neue Art zu lösen gestatteten. Mag sich auch
nicht alles ganz nach den Köpfen der Künstler haben
gestalten lassen, weil technische oder geldliche Schwie-
rigkeiten entgegenstanden (schließlich ist eine Aus-
stellung doch nur ein Provisorium, das mit dem
Anreiz zu neuem Fortschritt seinen Zweck erfüllt hat),
es bleibt ein großes Verdienst der Veranstalter und
Leiter, daß hier Künstler ein Theater, eine In-
dustriehalle, ein Bureauhaus, einen Glaspalast, ja
ein Dorf ganz nach eigenen Ideen errichten durften!
Hier war der Auftrag vorbildlich und seine Erfüllung
blieb ganz die Sache der Künstler.

Im übrigen sollen in einer Ausstellung auch die
in Verbindung mit Künstlern in letzter Zeit bereits
geschaffenen Werte in mustergültiger Weise organisiert
vorgeführt, dem Handel seine repräsentativen Pflichten
veranschaulicht werden. Man darf neben den Miß-
erfolgen z. B. der Haupthalle, der Ladenstraße usw.
nicht übersehen, daß auch hier die Kölner Aus-
stellung viel Gutes gebracht hat, und zwar haben sich
die norddeutschen Aussteller besonders hervorgetan.

Wie einladend und stolz zurückhaltend zugleich war
doch die Empfangshalle des Bremen - Oldenburg-
Hauses, wie durchgebildet der Hamburger Raum, wie
originell orientierend der Kuppelraum mit den Seiten-
hallen der Hapag. (Um den Abstand zu ermessen,
denke man nur an die Räume des Bayrischen Kunst-
gewerbevereins!) — Die Warenmasse als solche zu
beleben und ihre Ausstellung zu dem Eindruck ihres
Wesens zu gestalten, ist vereinzelt gut gelungen; so
im Kekshaus von Bahlsen, im unvergleichlichen Ta-
petenraum Endells, in Cords Seidenhaus-Schaufenster,
bedingt auch im Zigarrenraum von Feinhals. Im all-
gemeinen fehlten hier leider die Ansätze zur Erziehung
vollkommen. Das ist um so mehr zu bedauern, weil
man an Kunstgewerbe, auch wenn es Ware geworden
ist, anders herantreten soll, wie an Margarinefässer.

Es steckten in der Kölner Ausstellung eine Menge
solcher Probleme, die man nicht alle behandeln kann,
die aber klar werden, wenn man das neue Werkbund-
Jahrbuch durchblättert, das ganz ihnen gewidmet ist1).

Wir können hier drei große Hauptaufgaben, die
der » Werkbund« in der Öffentlichkeit zu vertreten hat,
mit Worten so bezeichnen:

1. Er muß mit allen Mitteln das Gefühl lebendig
erhalten, daß mit der Fortdauer des künstlerischen
Werdens die Möglichkeit der Selbstbehauptung
deutschen Wesens auf das engste verknüpft ist.

2. Er muß mit allen Mitteln darauf hinwirken, daß
öffentliche und private Auftraggeber immer mehr
mit solchen Künstlern, die in Wahrheit die Träger
des künstlerischen Werdens sind, in Verbindung
treten.

3. Er muß, mit deutlicher Abgrenzung nach unten,
das Gewordene, zur typischen Weitergestaltung
Geeignete, aus der deutschen Gesamterzeugung
sammeln, als Qualitätsware dem Handel und dem
Export übergeben und den Käufern kenntlich
machen; er muß die früher erwähnte untere Ge-
schmacksgrenze ständig zu heben suchen.

Die erste Aufgabe hat der »Deutsche Werkbund« seit
seinem Bestehen stets zu lösen versucht, zum Teil
mit gutem Erfolg. Sie muß aber immer wieder und
jetzt, wo wir uns mehr wie früher ausdehnen wollen,
stärker als je betont und verfochten werden.

Über die zweite Aufgabe wollen wir uns im
nächsten Hefte eingehender unterhalten.

Zur Lösung der dritten Aufgabe liegen im soeben
erschienenen, zusammen mit dem Dürerbund heraus-
gegebenen Deutschen Warenbuch") sehr wertvolle An-
sätze bereits vor, die nur zielbewußt weiter ausgebaut
werden müssen. (Schluß folgt.)

1) Deutsche Form im Kriegsjahn Die deutsche Werk-
bund-Ausstellung Köln 1914. (IV.Jahrbuch d. D. W.B.) Text
von Peter Jessen. Mit 168 Seiten Abbildungen. München,
Verlag von F. Bruckmann A.-G.

2) Das deutsche Warenbuch. 1500 Abbildungen aus allen
Gebieten des deutschen Hausrates, ausgewählt in mehr-
jähriger Arbeit von Sachverständigen-Ausschüssen in allen
Teilen des Deutschen Reiches. Verlag der Dürerbund-
Werkbund-Genossenschaft in Hellerau bei Dresden. Preis
2 M. 50 Pf. mit Preisliste.

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