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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Raphaël, Gaston: Gewerbeschulen und Kunstgewerbe in Deutschland: Auszug aus einem an den Minister des öffentlichen Unterrichts erstatteten Bericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0103

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Aber was sollten wir nun Neues berichten?
Wir durften uns nicht einbilden, mehr und
besseres leisten zu können, als in dem Be-
richt von M. de Ribes-Christofle geleistet
worden ist. Alle materiellen Angaben über
Einrichtungen, Örtlichkeiten, über Zeitdauer,
Stundenzahl, über die Anordnung des Lehr-
ganges, die Programme, die Schülerzahl, über
das Budget und die durchschnittlichen Aus-
gaben finden wir in seiner umfangreichen
Arbeit. So haben wir also versucht, unser
Augenmerk auf eine andere Seite der Frage
zu richten. Was strebt der Unterricht in
diesen Schulen und Kursen an? Welcher
Art von Schülern wird er erteilt, und was
für Lehrer unterrichten? Wie werden diese
Lehrer gewonnen? Was soll man, genau
genommen, über den gegenwärtig über-
wiegenden Einfluß der »Neuen Kunst« (Art
nouveau) denken? Ist dieser gewerbliche
und technische Unterricht dazu getan, einen
Einfluß auf den allgemeinen Unterricht und
auf gewisse Überlieferungen der deutschen
Nation auszuüben? Das sind die Fragen,
die zu beantworten wir versucht haben.

Was zunächst überrascht, ist, wenn man
die Schulen und Kurse besucht, oder mit
Leuten vom Fach darüber spricht, ist die
Tatsache, daß man die praktischen Seiten
der Fragen überall mit der allergrößten
Wichtigkeit behandelt, und mit absoluter
Übereinstimmung ist man sich darüber klar,
daß es für alle Zweige der deutschen Industrie
die erste Notwendigkeit ist, Arbeiter und
Werkmeister, Ingenieure, Direktoren und
Künstler heranzubilden, die ihr Metier von
Grund auf kennen und befähigt sind, die
einen zu entwerfen, die andern Gegenstand
und Arbeiten durchaus praktisch und zweck-
entsprechend auszuführen. Dieses Bestreben
zeigt sich von den Elementarschulen an bis
zu den Fortbildungsschulen. In der Zeichen-
stunde legt man einen beliebigen Gebrauchs-
gegenstartd vor die Kinder und gibt ihnen
nicht allein auf, ihn abzuzeichnen, sondern
man lehrt sie auch, ihn zu modellieren und
in Papier oder Holz zu schneiden, und dieser
Handarbeitsunterricht gelangt je nach den
Vorbedingungen mehr oder weniger zur Ent-
faltung. In Leipzig ist ein Seminar, wo
deutsche Lehrer in einem Kursus von eini-
gen Wochen die Handhabung dieses Hand-
arbeitsunterrichts erlernen können.

In den Fortbildungsschulen dauert dieses
Herumexperimentieren mehrere Jahre. Man
steht hier vor einem verwickelten Problem.
Sollen diese Kurse, die fast überall für Lehr-
linge von 13 bis 18 Jahren obligatorisch sind,
die Erwerbungen des Elementarunterrichts
erhalten und vervollkommen, oder sollen sie
das ergänzen, was die Lehrlinge in der Werk-
statt und in der Fabrik lernen? Sollen sie
auf eine allgemeine, oder, wenn man so
sagen darf, auf eine rein fachliche Bildung
hinarbeiten? Oder aber, wenn sie beides
zugleich sollen, welche stellen sie höher?

Aus dem Garten »Hoppe-Böhm« auf der Deutschen Werkbund-Ausstellung

Köln 1914

Aus dem Garten »Hoppe-Böhm« auf der Deutschen Werkbund-Ausstellung

Köln 1914

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