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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Raphaël, Gaston: Gewerbeschulen und Kunstgewerbe in Deutschland: Auszug aus einem an den Minister des öffentlichen Unterrichts erstatteten Bericht
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0107

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bekehrt sich wieder zu überflüssigen Zieraten.
Die Jugend hat nicht nur ausgetobt, sie ist
sogar spießig geworden. Der beliebte Stil des
Tages ist der Biedermeierstil (Style bourgeois
ou Louis Philippes), ein wenig moderner auf-
frisiert. In den Schulen, das heißt im Zeichen-
unterricht, der den größten Teil der Stunden
einnimmt, sind die Alten wieder zu Recht und
Ehren gekommen. Wir haben nur eine einzige
Schule angetroffen, die von Weimar, aus der
sie prinzipiell verbannt worden sind. Aber
man muß anerkennen, daß ihr Leiter, Henry
van der Velde, der selbst aus der Schule des
Jugendstils (!) hervorgegangen ist, wenn er
auch die alten nicht kopieren will, doch wenig-
stens darnach ringt, zu schaffen, wie sie ge-
schaffen haben, das heißt nach den Gesetzen
der Logik und der Notwendigkeit. Es ist einer
von den zwei oder drei deutschen Künstlern,
die der neuen Kunst vollständig treu geblieben
sind. Unabhängig, doch mit Verstand und
gutem Geschmack sucht er unermüdlich nach
Farben und Formen (welcher Unterschied
zwischen seinen Farben und denen anderer
Schulen!), die dem Bedürfnis'des modernen
Lebens entsprechen, und seit kurzem sieht
man unter seinen Schöpfungen schöne Werke,
die etwas Neues verkünden, das ohne Zweifel
ein moderner Stil werden wird.

Wir brauchen uns also durch das, was
in gewissem Sinne weiter nichts als ein kauf-
männischer Bluff war, nicht blenden zu lassen
und wollen uns nicht Hals über Kopf auf
etwas Neues stürzen, das in vielen Stücken
unseren Geschmack beleidigt; wohl aber sollten
wir uns hüten, die Lehren zu verachten, die
wir aus dieser Bewegung ziehen können. Sie
zeigt uns zunächst, daß der Handel von der
Geschicklichkeit allein nicht leben kann. Nur
weil die Deutschen etwas Neues auf den Markt
brachten, haben sie zu unserem Schaden ihre
Waren in so großen Massen verkaufen können.
Das Neue, wenn es selbst nichts taugt, wird
verkauft, nur weil es eben neu ist, während
unsere ewigen Kopien in den Läden liegen
bleiben. Auch können wir hier so recht sehen,
was die Tatkraft und der Einfluß des Einzelnen
vermag. Von Darmstadt und von München ist
diese Bewegung ausgegangen. Darmstadt,
die friedliche Residenz des Großherzogs, glänzte
in ganz Deutschland durch die Abwesenheit
jeglichen Lebens. Eines schönen Tages be-
suchte ein reicher Privatmann, Herr Alexander
Koch, den Großherzog, nicht um Geld von
ihm zu erbitten, sondern um ihm vorzuschlagen,
welches zu verdienen. Es wurden Künstler
berufen, und heute existieren in Darmstadt
und im ganzen Großherzogtum Hessen eine
Menge Möbelfabriken. Ähnlich war es in
München, wo es sich, wie Künstler und
Professoren behaupten, darum handelte, eine
andere Spezialität als das Bier einzuführen.
In Weimar und seiner Umgebung hat die
Schule eine Korbmöbelindustrie ins Leben ge-
rufen, wie sie bisher noch nicht vorhanden
war. Richten wir nun unser Augenmerk auf
die Art, wie die Bewegung fortgepflanz,
wurde. Künstler hatten die erste Idee gefaßt,

Kunstgewerbeblatt. N. F. XXVII. II. 5

Aus dem Garten »Hoppe-Böhm« auf der Deutschen Werkbund-Ausstellung

Köln 1914

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