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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Luethgen, Eugen: Stilverwirrung im Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0112

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Form, zur Schönheit, zum Stile Geltung erzwangen.
Sie allein sind es, die den Formen der Kunst und
des Kunstgewerbes die künstlerische Ausdruckswirkung
raubten. Um diesen Beweis zu erbringen, bedarf es
nur einer voraussetzungslosen Betrachtung der so-
genannten Stile seit der französischen Revolution, der
Formen aus der Zeit des Direktoriums, des Konsulats,
des Empire, des Biedermeier.

Denn schon hier sind in vollem Umfange alle
Merkmale der Formentartung aufgespeichert, die man
in wunderlichem Mißverstehen geschichtlicher Ereig-
nisse erst der Zeit der Maschine zuzuschreiben be-
liebt. Das Jahr 1789, der Tag des Sturmes der
Bastille, bezeichnet die Geburtsstunde dieser allge-
meinen Stilverwirrung. Einen Monat nach Ausbruch
der Revolution stellten in Paris alle Werkstätten für
Luxusgegenstände und Kunstindustrie ihren Betrieb
ein. Die vorhandenen kunstgewerblichen Bestände
der Läden und Lager, der verlassenen Schlösser und
Wohnungen des Adels wurden zumeist vernichtet.

Wie die Werke außer Wirkung gesetzt wurden,
so auch ihre ursprünglichen Besitzer, die Träger der
Kunst, die sich bis dahin um den französischen
Königshof geschart hatten. Schon Anfang 1790 waren
mehr als 60000 Reiche und Adelige außer Landes.

Eine Vorstellung von dem, was durch die Ver-
nichtung der königlichen Hofhaltung, durch die Ver-
schiebung der Gesellschaftsklassen zerstört wurde,
geben die Riesensummen, die bis dahin den Luxus-
gewerben durch den französischen Hof zugeflossen
waren. Ludwig XIV. hat nach dem Etat für das
Jahr 1685 allein für Bauten in diesem einen Jahre
15340901 L. und für argenterie, d. h. für Gewänder,
Schmuck, Kostbarkeiten 2274253 L. verausgabt. Die
Gesamtausgaben für seine Bauten überstiegen 300 Mil-

lionen Mark. Die Inventare der königlichen Schlösser
besagen, daß 334 große gewebte Wandbehänge in
den Schlössern Ludwigs XIV. hingen, die aus 2600
Teppichen und 140 Einzelstücken bestanden; ferner
daß aus der staatlichen Gobelin-Manufaktur allein
882 Wirkereien für den König geliefert wurden. Was
den persönlichen Aufwand anbetrifft, so erhielt zum
Beispiel Marie Antoinette als Kronprinzessin im Jahre
1773 für ihre Garderobe 120000 L., im Jahre 1780
erhielt sie schon 194118 L. und im Jahre 1787 sogar
217187 L. Die Rechnungen der Madame du Barry
für Werke der Goldschmiedekunst überstiegen 2 Mil-
lionen, für Möbel, Gemälde, Kunstgewerbe 1 Million.

Wie bescheiden ist dagegen die Zeit Napoleons.
Für den Ausbau seines Hauses in der Victoirestraße
sollte er 130000 Fr. zahlen. Er erzählt davon auf
St. Helena: »Ich war nicht wenig erstaunt, ja ich war
empört, als mir eines Tages die Rechnung vorgelegt
wurde, welche die unglaubliche Höhe von 120 bis
130000 Fr. erreichte. Ich mochte schimpfen, soviel
ich wollte, bezahlen mußte ich doch. Der Unter-
nehmer wies den Brief vor, in dem er aufgefordert
war, das Allerbeste zu leisten. Was geliefert war,
bestand aus lauter neuen Modellen, die besonders an-
gefertigt waren. Es hätte keinen Richter gegeben, der
mich nicht zur Zahlung verurteilt hätte.«

Die bewegliche Klage Napoleons zeigt besser als
anderes, wie sich das Verhältnis zur Kunst geändert
hat. Auf die schrankenlose Prunksucht folgte die
sparsame Berechnung, die mit den Mitteln haushielt.
Da aber die Vorstellung von der Welt des schim-
mernden Glanzes des Rokoko noch nicht erloschen
war, übte auch der Wille durch Prunkentfaltung, sich
selbst und seine Umgebung zu heben, nochmals seine
formgestaltende Wirkung aus.

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Anneliese Wildeman, Bonn Berglandschaft



Anneliese Wildeman, Bonn

Erwartung

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