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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Krieg und Krieger in der Bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0180

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Weltgeschichte das römische Volk gelebt hat, das
ihnen den Sinn zu geben vermochte.

Im Mittelalter spielt der Krieg nicht eben eine
bedeutende Rolle: das religiöse Element herrscht.
Miniaturen und Teppiche führen uns gelegentlich
kriegerische Szenen vor. Ein fruchtbares und ori-
ginelles Motiv aber greift die Plastik auf: den ge-
panzerten Ritter auf der Grabplatte. Am Ende des Mittel-
alters entsteht jenes großartige Innsbrucker Werk, die
Ruhestätte des »letzten Ritters«. Der Renaissance-
gedanke der Heldenverehrung spielt hier schon hinein.

Das großartigste sichtbare Zeugnis kriegerischen
Geistes aber hat uns das Mittelalter in der Burg und
der Stadtmauer hinterlassen. Man mag sich fragen,
ob wir es hier mit Werken der Kunst zu tun haben,
in dem Sinne wie Dom und Rathaus der Architektur
angehören: weder Burg noch Mauern sollten schön
sein. Genug, daß sie es wurden. Nirgendwo ist der
Gedanke wehrhaften Trutzes sinnfälliger zum Aus-
druck gebracht worden.

Groß und frei wie alles fassen die Künstler der
Renaissance den Vorwurf des Krieges. Raffael malt
die Konstanlinschlacht, den Seekampf von Ostia;
Lionardo entwirft den Karton der Schlacht von Anghiari;

venezianische Künstler schildern die Heldentaten des
Lagunenvolkes zu Wasser und zu Lande; anderthalb
Jahrtausende liegen zwischen der Alexanderschlacht
und diesen großflächigen Malereien, und doch scheint
es eine Kunst. Hier bewährt sich einmal der viel
mißbrauchte Name »Renaissance«. Doch charak-
teristischer noch sind die Heldendenkmäler. Der Heer-
führer als Persönlichkeit, als »großer Mann«, würdig,
in seinen persönlichen Wesenszügen fortzuleben für
die bewundernde Nachwelt: das ist die neue Auf-
fassung, mit der der Erzgießer des 15. Jahrhunderts,
hierin ein echter Sohn seiner römischen Vorfahren,
an die Aufgabe herantritt. Und so steht in Padua
der bedächtig ernste Gattamelata, steht in Venedig der
furchtbare Colleoni. Es hat größere Feldherren ge-
geben seitdem, größere Feldherrndenkmäler nicht.
Den venezianischen Condottieren haben die Bildner
viel, vielleicht alles geschenkt; unserm wackern Moltke
sind sie viel, vielleicht alles schuldig geblieben. Wie
wird Hindenburgs Schicksal sein? Schlimmes ist ihm
beschieden, wenn er der bisherigen offiziellen Denk-
malkunst in die Hände fällt. Wem lebend Nägel in
die Waden geklopft werden, was hat der nach seinem
Tode zu erwarten?

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