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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Krieg und Krieger in der Bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0184

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Richard Kuöhl, Hamburg. Preisgekrönter Entwurf aus dem Wettbewerb des Verbandes
deutscher Oranitwerke in Karlsruhe

sich nur einmal vorzustellen, Bismarck halte sich von
seinem getreuen Keudell statt Beethovenscher Sonaten
das »Gebet der Jungfrau« und »Fischerin du kleine«
vorspielen lassen! Die Lächerlichkeit dieses Gedankens
beweist, wie weit in Deutschland bis oben hinauf
die Bildung des Auges hinter der Bildung des Ohres
zurücksteht.

Dies der Rückblick. Nun der Ausblick.

Nie war ein Krieg wie dieser. In drei Erdteilen
tobt er und drei Elementen, nüchtern wie ein Rechen-
exempel, phantastisch wie ein wahnwitziger Teufels-
spuk, unsichtbar wühlend und gigantisch daher-
schreitend. Alles, was man bisher vom Kriege glaubte,
hat er ins Gegenteil verwandelt: satanisch modern in

der Technik des Mordens, kehrt er zurück zu den
urältesten Kriegsformen, zur Schleuder, zum Grenz-
graben, zur Sklavenarbeit der Gefangenen. 1870/71
steht den punischen Kriegen näher als dem jetzigen. Was
wird uns die bildende Kunst von ihm zu sagen wissen?
Wenig über die geistigen Kräfte, die in ihm wir-
ken, über dies Geflecht wirtschaftlicher, sozialer, natio-
naler, religiöser, ja überhaupt mit keinem vernünftigen
Wort zu fassender Gedanken, Strebungen und Leiden-
schaften. Vielleicht kommt der große Romanschreiber
oder Dramatiker, der das Gestaltlose zur Gestalt zwingt;
einiges wird die Karikatur vollbringen können, die an
Grey, Nikolai und d'Annunzio ja prachtvolle Vorwürfe
findet. Wenig auch von großen, glänzenden, drama-

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