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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Krieg und Krieger in der Bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0186

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Schützengraben mit seiner Poesie, die wir freilich erst
empfinden werden, wenn die harte, nüchterne Blut-
arbeit überstanden, wenn der Krieg zur Legende ge-
worden ist — Ja Junge! heut vor fünfzig Jahren lag
dein Großvater auf der Lorettohöhe! — Die Ver-
wüstungen an Wald und Dorf, die zersplitterten Baum-
stümpfe, die geborstenen Kirchtürme — dazu die
Lichtspiele der Scheinwerfer, der Leuchtraketen, die
Wattewölkeken der Schrapnells, die Rauchpinien ex-
plodierender Minen. Wahrscheinlich wird die Schwarz-
weißkunst, vor allem die Radierung, dem Bizarren,
Grausigen und Humoristischen dieser Vorwürfe eher
beikommen, als die Ölmalerei, eben weil sie nur
andeutet.

Ob wir über die Stimmungslandschaft hinaus-
gelangen in das Bereich großer, d. h. stilisierender
Kunst, ist nicht eine Frage der Kultur und des Ta-
lents, sondern des Genies. Von den Lebenden hat
Hodler am bewußtesten solche Stilisierung angestrebt;
es gibt Kenner, die behaupten, er habe sie erreicht.
In fünfzig Jahren wird man darüber Klarheit haben.
Möglicherweise wird sich dann herausstellen, daß das
Mißbehagen, das manchen beim Anblick seiner Bilder
ergreift, tatsächlich dem Unvermögen entsprang, eine
neue Vereinfachung zu ergreifen. Solange anderer-
seits auch bei den Kennern die Furcht, den Anschluß
an die neueste Richtung zu verpassen, die Freude,
eine neue Größe zu entdecken, oder das Bedürfnis,
für eine Theorie den Musterheiligen zu finden, das
Urteil zu beeinflussen vermag, verwahrt man sich mit
Recht dagegen, für einen Kunstidioten zu gelten, weil
man die hundert aufgereckten Hände des Refor-
mationsbildes, die steile Geste des in den Waffenrock
fahrenden Jägers für eine kindliche Andeutung, nicht
aber für ein vollwertiges Symbol gelten lassen kann.

Soweit über die Malerei.

Wichtiger für uns ist die Denkmalkunst, weil sie
aus der Bildermappe und dem Ausstellungssaal an die
Öffentlichkeit hinaustritt.

Die Aussichten sind hier hell und trübe zugleich.
Hell: denn es gibt mindestens hundert Künstler in
Deutschland, die gute Denkmäler, tausend, die brauch-
bare Grabsteine schaffen können; trübe, denn man
darf sich selbst darüber keiner Selbsttäuschung hin-
geben, daß bis tief in unsere »gebildeten« Kreise
hinein, trotz jahrzehntelanger Aufklärungsarbeit, das
Gefühl für den Unterschied zwischen Kunst und
Pfuscherei noch erstaunlich unentwickelt ist. Wenn
wir trotzdem hoffen dürfen, das Gute durchzusetzen,
so gründet sich diese Hoffnung nicht auf die bessere
Einsicht der denkmalsetzenden Stellen, sondern auf
die wirkungsvollere Organisation und Agitation jener
100000 Deutscher, die schlichte Vornehmheit von
gespreizter Vornehmtuerei zu unterscheiden wissen.
Hier muß rechtzeitig ein Zusammenschluß erfolgen
und Aufklärungsarbeit einsetzen. An verschiedenen
Stellen sind bereits verheißungsvolle Ansätze gemacht.

Möge sich dann auch unser Kaiser mit den Ein-
sichtsvollsten seines Volkes in gegenseitigem Ver-
ständnis zusammenfinden, und statt der »Künstler« der

Siegesallee die Hindenburgs und Mackensen unsere
Denkmalkunst erkennen, berufen und gewähren lassen!

Wahrscheinlich wird sich, wie auf wirtschaftlichem
Gebiete, so auch auf künstlerischem eine Reichs- oder
Staatsaufsicht als notwendig erweisen. Ein scheinbar
ungeheuerlicher Gedanke, und vielleicht doch nicht
ungeheuerlicher als die Brotkarte. Ich denke mir die
Regelung so: Für jeden Regierungsbezirk (die großen
Städte mögen herausgenommen werden) soll ein Aus-
schuß bestimmt werden, dem sämtliche zu öffentlicher
Aufstellung bestimmten Entwürfe (Gedenktafeln, -steine,
-haine, Maler, Hallen, Türme, Brunnen aller Art) zur
Begutachtung vorgelegt werden müssen. Der Aus-
schuß soll das Recht haben, alles schlechterdings Un-
würdige auszumerzen, und da, wo das Zusammen-
wirken der Einzelnen der Regelung bedarf, Vor-
schriften über Material, Verhältnisse usw. zu erlassen.

Es ist möglich, daß manches Denkmal dadurch
um 10 oder 20 Jahre zurückgeschoben wird. Kein
Schade.

Die Tätigkeit des Ausschusses würde scheinbar
rein negativ sein. Tatsächlich wird er sich bald zu
einer Beratungsstelle auswachsen. Aber schon die
Ausmerzung des unleidlich Schlechten würde genügen;
mir ist nicht bange, daß das Gediegene sich dann
von selbst einstellt. Die Kräfte sind da, die es zu
schaffen vermögen. Man beseitige das wuchernde
Unkraut und sie werden Blüte und Frucht tragen.

Daneben ist die positiv wirkende Aufklärungs-
arbeit natürlich unentbehrlich. In großem Maßstabe
wird diese geleistet von der Sammlung vorbildlicher
Kriegerdenkmäler, Friedhöfe und anderer Wahrzeichen
dieses Krieges in der von der Mannheimer Kunsthalle
im Januar veranstalteten Ausstellung »Kriegerdenk-
mäler«, in den warnenden Veröffentlichungen des
Dürerbundes, des Werkbundes, der Heimatschutz-
verbände usw. Auch das Kultusministerium plant
eine Zusammenstellung vorbildlicher Entwürfe künst-
lerischen Gehalts, die die Beziehungen zwischen Kunst
und Krieg herstellen und befestigen sollen. Vor allem
aber sind es die Bünde der Sozialerzieher: die Ge-
sellschaft für soziale Reform, der deutsche Käuferbund,
das Bureau für Sozialpolitik, die Zentrale für Volkswohl-
fahrt, die in eifrigem Zusammenwirken mit Werkbund-
künstlern das Deutsche Museum für Kunst in Handel
und Gewerbe Hagen i. W., veranlaßt haben, über den
Titel »Krieg und Kunst« eine Ausstellung zu eröffnen,
die im Reiche wandernd, zuerst im Februar dieses
Jahres in Berlin gezeigt wurde. Sie umfaßt vom
Kleingewerbe aufwärts bis zum Ehrenfriedhof den
ganzen Umkreis der Gestaltungsmöglichkeiten, die die
Verbindung Krieg und Kunst als ungelöste Proble-
matik bisher aufgeworfen hat, gab auch in Gegen-
beispielen Kunde von der unsäglichen Not, mit der
Händlerungeschmack und »Konjunktur«gedanke dem
Siegeswillen unseres Volkes zu nützen strebt.

Möge dann nach einem Jahrhundert der künst-
lerische Niederschlag des Weltkrieges im Vergleich zu
dem des letzten unseren Nachfahren Anlaß geben,
auch von uns zu sagen:

Und Ihr sollt größer sein als Eure Ahnen!

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