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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Platen, Max: Die Gold- und Silbersammlung des "Vaterlandsdank": ausgestellt im kgl. Kunstgewerbemuseum in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0212

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als Gradmesser für die kunstgewerblichen Werte und als
Angaben für die Herkunft der Stücke, die bei der Aus-
sonderung nicht in die Schmelze gelangen sollten,
hätten dienen können, fehlen. Hier konnte zunächst
nur das allgemeine Verständnis für gute und vernünftige
Formen maßgebend sein, wenn auch die Arbeiten aus
uns heute fremden Empfindungen, zurückliegenden mo-
dischen Veranlassungen, lediglich rein technischen Her-
stellungsmethoden oder wirtschaftlichen Wettbewerben,
ihre Entstehung begründen. Zunächst bildeten sich
Gruppen, die durch die Verwendung des Steinmaterials
ohnehin nicht für die Schmelze in Frage kamen,
z.B.der Granat-
schmuck und
weiterhin Ko-
rallen und Bern-
steinarbeiten.
Mit besonde-
rem Fleiß wur-
den Schmuck-
sachen geord-
net, die sich
durch erkenn-
bare logische
Entwicklungen
abgrenzten und
die Möglichkeit
boten, kunst-
und kulturge-
schichtlich be-
wertet zu wer-
den. Diese Ar-
beit war außer-
ordentlich an-
regend, wenn
auch im Gegen-
satz zu dem
Tafelgerät bei-
nahe vollstän-
dig der Zusam-
menhang mit
der Entwick-
lung des Kunst-
gewerbes jener
Zeit fehlt und
wie schon er-
wähnt, über die

Entwicklung des deutschen Schmuckes aus den letzten
einhundertfünfzig Jahren keine geschriebenen Auf-
zeichnungen vorhanden sind. Wir betraten also hier
ein unerforschtes Neuland und der Vaterlandsdank
kann für sich in Anspruch nehmen, zur Erforschung
ein wertvolles Material zusammengetragen zu haben
und so die Möglichkeit zu bieten, eine Lücke in der
Geschichte des Kunstgewerbes aus dem 19. Jahrhundert
zu schließen.

Die erste Feststellung, die wir machen mußten,
war zunächst die, daß sich die ausgesonderten Gold-
und Silbersachen ohne unser Zutun auf das ver-
gangene Jahrhundert begrenzten. Es spricht dies
eine eigene Sprache, einmal sprechen diese Zeugen

Aus der Gold- und Silbersammlung »Vaterlandsdank«, Schmuck aus Eisenguß

menschlichen Schmuckbedürfnisses in ihrer Menge von
dem Opfermut unserer Tage, dann aber auch von
dem gleichen freudigen Opfermut, der unsere Vor-
fahren in den schweren Zeiten zu Beginn des ig. Jahr-
hunderts beseelte. Schade nur, daß zu der Zeit alles
restlos in den Schmelztiegel wanderte und so sicher-
lich manches wertvolle Stück zerstört wurde, das den
vielfachen Metallwert besaß und nun heute als Zeuge
in der Entwicklung des Schmuckes fehlt. Auch in
volks- und zeitpsychologischer Hinsicht müssen wir
hierdurch manchen wertvollen Aufschluß entbehren,
denn wohl kaum eine angewandte Kunst steht in einem

solch engen Zu-
sammenhang
mit den Ge-
schehnissen der
Zeit, so als
Spiegelbild der
Geschichte und
Kultur wertvol-
le Rückschlüsse
ermöglichend,
als die des
Schmuckes.

Gerne spre-
chen wir davon,
daß die ange-
wandte Kunst,
zumal die der
zweiten Hälfte
des vergange-
nen Jahrhun-
derts, auf die es
hier, wie wir
gleich sehen

werden, zur
Hauptsache an-
kommt, nicht
sonderlich hoch
zu Buch steht.
Es waren Zeiten
der Wiederho-
lungen,derVer-
flachungen und
des Niedergan-
ges, doch haben
wir bei der Be-
wertung des Schmuckes diesen hohen, heute wohl
kaum schon berechtigten Standpunkt verlassen müssen
und haben erkennen gelernt, daß manches Stück noch
viel gesunde und klare Form verrät und vor allen
Dingen in engem Zusammenhang mit dem Kleid
jener Tage stand. Nicht seiner selbst willen trat
das Sckmuckstück auf, es suchte sich dem Charakter
des Gewandes anzupassen, saß gleichsam als Orna-
ment in der Tektonik des Kleides, saß da, als Er-
füllung einer organischen Notwendigkeit, wie z. B.
die Brosche als Heftnadel bei zusammenlaufenden
Gewandzipfeln.

Wie schon erwähnt, kommt beinahe nur die
zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts für unsere

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