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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Pazaurek, Gustav E.: Künstlermarken und Fabrikzeichen: ein Vorschlag
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0226

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vielfach leider noch leeren oder banalen Empfehlungs-
versicherungen mancher sehr bereitwilligen, vielleicht
auch gewandten und doch nicht immer selbst ge-
nügend informierten Verkäuferin vorzuziehen. Gute
Namen, die uns durch ernste kunstgewerbliche Aus-
stellungen, wie durch die führende Fach- und Tages-
presse geläufig wurden, geben uns gewiß eine viel
größere Bürgschaft. Aber schon aus dem Grunde,
um untergeordnete Auslandserzeugnisse meiden zu
können — was wir doch nach dem großen Welt-
kriege sicherlich alle tun wollen —, sind untrennbar
angebrachte Künstler- und Fabriksmarken von Wich-
tigkeit.

Wenn wir aber die Kehrseite der Medaille be-
trachten, d. h. wenn wir uns vergegenwärtigen, daß
nach dem Kriege unsere jetzigen Gegner, denen die
stolze Entwicklung des deutschen Kunstgewerbes schon
vorher ein Dorn im Auge war, uns nicht gerade mit
offenenen Armen empfangen werden, gelangen wir
zu den Nachtellen, die eine allgemeine Ursprungs-
bezeichnung im Gefolge haben müßte und die es
daher wenigstens für die folgenden Jahre ausschließen,
den freiwilligen Markenzwang obligatorisch machen
zu wollen. Wir alle haben es zwar erlebt, daß die
uns von England vor Jahren vorgeschriebene, allge-
meine Herkunftsmarke »Made in Germany« den Sieges-
zug unserer Industrieerzeugnisse nicht hemmte, son-
dern gar bald geradezu eine Rekommandation wurde.
Aber bei Geschmackserzeugnissen, auf die man nicht
notwendig angewiesen ist, müßte uns eine rigorose
Aufrichtigkeit zumal nach der jetzigen Zuspitzung aller
Gegensätze bedeutenden materiellen Schaden zufügen.
Deshalb wird man bei solchen kunstgewerblichen Er-
zeugnissen, die für uns wenig wohlgesinnte Gegenden
bestimmt sind, bis auf weiteres alle Marken unter-
lassen, ebenso auf allen fragwürdigen Gegenständen,
die in unkultivierte oder halbkultivierte Lande ziehen
und nicht unseren Geschmack, sondern den entlegener
Käufer aufweisen, zumal wir gerade diese »Kultur-
segnungen« vom volkswirtschaftlichen Standpunkte
dulden, ja begrüßen mögen, vom ästhetischen und
kulturellen Gesichtspunkte aus jedoch wenig Ursache
haben, uns ihrer zu rühmen. — Daß auch die Hinzu-
fügung von Jahreszahlen — zum Unterschiede von
bestellten Einzelstücken — bei kunstindustriellen Ob-
jekten nicht deutlich sein soll, liegt auf der Hand.
Bei dem unausrottbaren Hang vieler Käufer, nicht
nach dem Besten, sondern nach dem Neuesten zu
fragen, würden gar zu viele gute Stücke vorzeitig
zu Ladenhütern herabsinken. Unsere Zeitschriften
gewähren für spätere Untersuchungen genügende An-
haltspunkte. Versteckte Datierungen in ganz unauf-
fälligen Markenvarianten, etwa wie es bei der in
Markenfragen überhaupt sehr gewissenhaften Rook-
wood-Pottery in Cincinnati seit 1895 üblich ist, ließen
sich allerdings ins Auge fassen. —

Von der erwähnten, wünschenswerten Einschrän-
kung abgesehen, empfiehlt sich somit die möglichst
weitgehende, unverwischbare Anbringung von Künstler-
marken, wie von Werkstatt- und Fabrikzeichen, bei
größeren Gegenständen womöglich von ausgeschrie-

benen Namen, auf allen gelungenen kunstgewerblichen
Erzeugnissen, auf bestellten Einzelstücken auch die
Orts- und Zeitangabe — und ich bin überzeugt,
daß unsere vornehmsten Kunstgewerbemuseen, wie die
führenden Zeitschriften diese gerechte Forderung in
jeder Beziehung unterstützen werden. Auch alle ent-
werfenden Künstler, die keine Flüchtigkeitssünden zu
verstecken haben, werden ebenso gerne zustimmen,
wie die großzügig und fortschrittlich denkenden
Fabrikanten, denen eine innige Verbindung mit
tüchtigen Kunstkräften Herzensbedürfnis ist, sowie
moderne Verkaufsstätten kunstgewerblicher Gegen-
stände, die ihrer Kundschaft ohne nennenswerte
Preiserhöhung eine garantierte Qualitätssteigerung zu
bieten vermögen.

Und doch zweifele ich nicht, daß sich da und
dort auch Stimmen dagegen erheben werden, nament-
lich von jener Seite, die das momentane, einseitig
materielle Interesse weit über künstlerische Momente
stellt und die derzeit herrschende Unklarheit zu per-
sönlichen Sondervorteilen weiter ausnützen möchte.
Namentlich alle Erzeuger technisch oder geschmack-
lich minderwertiger oder wertloser Waren, die jede
Bestrebung im Dienste ästhetischer Aufklärung als eine
unerlaubte Geschäftsstörung aufzufassen belieben (wäh-
rend sie selbst eben durch ihren Schund den Ge-
schäftsgang wirklich vornehmer Erzeugungsstätten am
empfindlichsten stören), werden jede Verdrängung der
Anonymität oder Markenlosigkeit mit allen Hebeln
mittelbar und unmittelbar bekämpfen. — Aber gerade
dies muß uns erst recht veranlassen, in den weitesten
Kreisen des kaufenden Publikums darauf hinzuar-
beiten, nur solche Geschmacksartikel zu verlangen, die
die verantwortlichen Namen oder Marken ihrer Er-
zeuger erkennen lassen, und eben deshalb schon jetzt
Künstler und Fabrikanten anzuregen, dieser zu er-
wartenden Forderung Rechnung zu tragen, wenn nach
dem sieghaften Friedensschlüsse alle Kräfte vollauf
beschäftigt sein werden, die in den letzten Jahren stark
gelichteten Lager und Geschäfte wieder mit neuen
Erzeugnissen zu füllen.

Am entschiedensten werden wir das Vorurteil zu-
rückzudrängen haben, daß die Anbringung von Künstler-
namen oder -zeichen den soliden Fabrikanten geschäft-
lich benachteiligen könnte. Den oder jenen Zeichner
habe man doch überhaupt erst entdeckt, vielleicht gar
für seine weitere Ausbildung gesorgt oder ihm die
eine oder andere Studienreise bezahlt; wenn nun sein
Name, der doch eine Art Geschäftsgeheimnis sei, durch
immerwährende Nennung populär werde, schneide man
sich ins eigene Fleisch, da der doch genügend be-
soldete Künstler von der Konkurrenz nur zu leicht
ausgespannt werden könnte oder man ihm, der immer
unbescheidener werde, beständig finanzielle Aufbesse-
rungen gewähren müsse. — Solche Einwände sind
unsäglich kleinlich und gehen überdies von ganz
falschen Voraussetzungen aus. Es gibt in gewerb-
lichen Dingen auf die Dauer kein Geheimnis, am
allerwenigsten eines künstlerischer Art. Wenn die
Venetianer im 16. und 17. Jahrhundert trotz Gift und
Dolch die Abwanderung ihrer Kunstgläser -Geheim-

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