Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

DOI Artikel:
Jessen, Peter: Reisestudien, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0232

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Richard Schmidt, Chicago

Erholungsheim im Oarfieldpark

Ich hatte mir vorgesetzt, den weiteren Er-
folgen dieser Bahnbrecher nachzuspüren, die
Künstler und ihre jüngeren Nachfolger aufzu-
suchen und festzustellen, wie weit sie ihr Werk
vertieft und ausgearbeitet hatten. Allerdings hatten
wir in Europa seither von neuer Kunstgesinnung
aus Amerika wenig gesehen oder gehört. In
Paris 1900 hatte außer Louis Tiffany kein Ameri-
kaner etwas künstlerisch Nennenswertes ausge-
stellt. Ja es war mir im Laufe dieser Jahre
nicht einmal gelungen, auch nur eine zuläng-
liche amerikanische Zeitschrift über Kunst oder
Kunstgewerbe für unseren Lesesaal ausfindig zu
machen. Es galt also, die Grundlagen für ein
Urteil erst an Ort und Stelle zu gewinnen. Das
ist nicht so einfach, wie es scheint. Ein Aus-
tauschprofessor von drüben hatte mir vor der
Ausreise eine unterhaltende Studie über sein
Land empfohlen, von dem Bearbeiter des deut-
schen Baedeker für die Vereinigten Staaten, einem
geborenen Engländer J. F. Muirhead: The land
of contrasts. Diese Kontraste, die tiefen Widersprüche, die alle Lebensäußerungen des jungen Amerika zer-
setzen, treten auch in den Problemen der Kunst verwirrend zutage. Schon deshalb, weil die Landschaften
und Städte des ungeheuren Gebietes auch in Kulturfragen ihre Eigenart behaupten. New York, Boston, Chicago,
Los Angeles und viele andere wollen jede für sich in Betracht genommen sein.

Meine ersten Wochen in New York gaben mir wenig günstige Eindrücke von der lebenden Kunst.
Ich sah bald, daß der frische Vorstoß der neunziger Jahre ohne bleibendes Ergebnis verpufft, ja heute fast
vergessen ist. Der geistreiche Anreger La Farge ist seit 1910 tot. Louis Tiffany, in dem ich eine liebens-
würdige, echt künstlerische Persönlichkeit habe kennen lernen, unterhält allerdings in der Park Avenue seine
»Studios«, ein vornehmes Haus vor allem mit den Werkstätten seiner noch heute bewundernswerten Ver-
glasungen, teils malerischen Landschaften von zarter Stimmung, teils farbenreichen Figurenbildern, denen
man in Kirchen, öffentlichen und privaten Gebäuden durch das ganze Land hin begegnet. Allein die Hohl-
gläser, die seinen Namen bei uns berühmt gemacht haben, hatte er wenig gefördert, nur durch eine aller-
dings launige Art eingeschmolzener Tierbildungen; eine neue Abteilung reich geschmückter Messinggeräte
ist nicht sonderlich persönlich, und die Möbel, die ich sah, gingen über Anlehnungen an das 18. Jahr-
hundert nicht wesentlich hinaus. Die alte Silberfirma Tiffany & Co. ist ein riesiges Kunstgewerbemagazin
in der Fifth Avenue geworden, voll teuerster und billiger Ware hart nebeneinander, ein Mittelpunkt vor
allem für den Juwelenhandel der ganzen Welt unter der Leitung des rührigen Kenners und Forschers
Dr. G. F. Kunz, der unserem Museum und mir früher und jetzt ein treuer Förderer gewesen ist. Ich sah hier,
wie bei anderen weltbekannten Häusern meisterhafte Juwelierarbeit, aber künstlerisch fast nichts von Belang.
Auch in der Gold- und Silberfabrikation wird

mehr der geschickte Arbeiter und der behende ~? ~e »y

Zeichner als der eigenartige Künstler geschätzt.

Ich erkundigte mich nach den übrigen Künst-
lern, deren Werke in unseren deutschen Samm-
lungen die junge amerikanische Kunst von 1895
noch heute anregend vertreten. Ich suchte sie
an der Spitze großer Fabriken oder Lehranstalten,
dort, wo bei uns jetzt die Bahnbrecher von
damals wirken. Aber ich habe selbst in Fach-
kreisen kaum erfahren können, ob jene Männer
überhaupt noch lebten. Ihre verheißungsvollen
Anlagen zu nutzen und ihnen Aufgaben höherer
Art zu stellen, ist drüben niemandem in den
Sinn gekommen. Sie schienen untergegangen
in der Tagesarbeit. Nicht einmal gesammelt
hat man ihre geistreichen Erfindungen, so daß
ich eine seltene Auswahl für einen Spottpreis
habe heimbringen können. Statt der starken
Schöpfer herrschen in der Gebrauchsgraphik
heute lahme Nachläufer und süßliche Virtuosen.





»VlMHUP »*'■*•



' V-:5

Frank Lloyd Wright, Chicago

Landhaus

222
 
Annotationen