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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Septemberheft
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Kern, Guido Josef: Carl Blechen und das Meer
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0009

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Carl Blechen und das Meer

Von

G. J. Kern

Bei der bekannten romantisch-poetisclien Veran-
lagung Blechens war es unausbleiblich, daß das Meer
auf ihn großen Eindruck machte und seine künstle-
rische Phantasie beschäftigte. Als junger Kiinstler
stand er aber noch zu selir im Banne der herrschenden
zeitgenössischen Anschauungen, als daß er dainals ge-
rade beim Meer das malerische Problem erkanut und
zu lösen versucht liätte. Der Seesturm von Plorace
Vernet, der sicli heute in der Mtinchener Pinakothek
befmdet, kann als gemaltes Glaubensbekenntnis einer
ganzen Generation junger Künstler aus Blechens da-
maliger Zeit angesprochen werden. In ihm verkörperte
sich das Ideal des Seemalers: Großartigkeit und

ihm „in unvergleichlicher Großartigkeit“ Vernet vor
Augen gestellt hatte. Aber schon 1828, vor dem An-
tritt dcr Reise nach Italien, beginnt in seinem Innern
die Auflehnung gegen die herrschende AuffassUng
und Malweise.

Die „Felsen an der Rügenschen Küste“, jenes
datierte, breit hingemalte, tonige Bild aus dem ehe-
maligen Besitz von Dr. Cornelius Löwe, führt den
Bruch mit der damals herrschenden akademischen
Tradition herbei. Zwar ist das Motiv noch romantisch,
aber die Art, wie die Felsen, das Bröclcelige, Poröse
der Kreide, die Grasnarbe, die feuchten Wolken ge-
malt sind, das alles läßt den Maler erkennen, der die

Abb. 1. Pommersche Küste Sammlung Jnlius Freund, Berlin

schaurige Furchtbarkeit entfesselter Elemente, die er-
barmungslos jedes Mensclienwerk vernichten. Das zer-
sehellte Wrack an der felsigen Kiiste, haushohe Wogen,
zerrissene, phantastisch beleuchtete Wolken, durch clie
Blitze zucken oder vereinzelte grelle Sonnenstrahlen
hindurchschießen — das waren die Bilder, die in
den Vorstellungen der jungen Künstler lebendig
waren und überdies vom Publikum verlangt wurden.
Nur in ganz wenigen Köpfen lebte noeh die Vor-
stellung intimer See-Bilder, wie sie im 17. jahrhun-
dert von hervorragenden Vertretern dieses Faches, wie
Jakob und Salomon Ruysdael, Aelbert C'uyp, Jan
van Goyen, Simon de Vlieger, Willem van de Veldc,
geschaffen worden waren. Blechen, als junger Deko-
rationsmaler der romantischen Oper ausgeliefert,
wurde noch besonders durcli seine Beschäftigung fiir
die Bühne in den Bann von Vernet hineingezogen:
Er kopierte Vernet. Erst im buchstäblichen, dann in
übertragenem Sinne, indem er an den Klippen Rügens
nach den zerscheRten Schiffen Ausschau luelt, die

Fesseln der Akademie sprengt und sich den Weg ins
Freie erobert. — Ein eigentliehes nach der Natur ge-
maltes Meeresbild Blechens aus jener Zeit gibt es
nicht, wenigstens ist bisher kein einziges bekannt ge-
worden; nicht einmal eine gemalte Skizze oder Stu-
die, in der er versucht hätte, die neu gewonnenen Er-
fahrungen und Erkenntnisse in der Wiedergabe der
unendlichen Wasserfläche zu erproben. War sie ihm
zu „leer“? Vermochte er auch mit den Mitteln, die
ihm J. C. Dahl in Dresden an die Hand gegeben hatte,
diese einförmige Leere noch nicht zu meistern? Wir
wissen es nicht.

Während der italienischen Reise hellt sicli Blechens
Palette auf, ja mehr als dies: Die Farben seiner Bilder
fangen an zu leuchten. Diesen Umschwung künden
auch zahlreiche Studien und Bilder nach Motiven
des italienischen Meeres, auf das er bei seinen ita-
lienisehen Wanderungen immer wieder stößt, bei
Rapaflo, bei Neapel, bei Sorrent, bei Spezia. Von
einer kahlen Llöhe bei Spezia sieht er herab auf die
 
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