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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Novemberheft
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Waldmann, Emil: Eine Othello-Komposition von Eugène Delacroix
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0076

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Eine Othello^Komposition von Eugene Delacroix

Yon

Emil Waldmann-Bremen

Delacroix liatte Auffülirungen von Shakespeares
Tragödien in England im jalire 1825 gesehen, und hiei*
war der Funke übergesprungen, der ihn dann auch
später in allen Jahrzehnten wieder zu Bildern und
Lithographien nach Shakespeare entflaminte. Damals
war es Charles Kean, den er besonders bewunderte,
in „Richard III.“ und im „Othello“. „Die Worte ver-
sagen fiir die Bewunderung von Shakespeares Genie,
der Othello und jago erfunden hat“, schreibt er am
27. juni 1825 an seinen Freund J. ß. Pierret. Der
Schauspieler Wmng, der den Jago gab, gefiel ihm hier
auch sehr, in anderen Rollen weniger; aber in seinem
„Hamlet“ fand Delacroix den wahren, seinen eigenen
Hamlet.

Gemalt und gezeichnet hat Delacroix damals, unter
dem frischen Eindruck dieser Theaterstücke, noch
wenig aus dem Umkreise der Shakespeareschen Weli.
„Macbeth bei den Hexen“ ist da, in Lithograpliie, ein
Nachtstück und aus „Othello“ die melancholische
Szene von Desdemona und Emilia aus der letzten
Szene des vierten Aktes, nach dem Lied vom Weiden-
bauni. Die Komposition dieses Gemäldes hat dann im
Jahre 1844 Theodore Chasseriau in seiner Radierung
in der Othello-Folgc fast wörtlich übernommen. Aber
das große Dramatische, das Delacroix an der Tragödie
bewunderte, das Drama zwischen Otliello und jago,
hat ihn damals noch nicht zui* Darstellung gereizt.
Auch einige Jahre später nicht, als er im jalrre 1828
in Paris im Theätre de l’Odeon Charles Kemble mit
einer englischen Schauspielertruppe in verschiedenen
Stricken Shakespeares gesehen hatte. Kembles Auf-
fassung mißfiel ihm durchaus. Er schrieb damals an
Yictor Hugo: „Nun also: Allgemeiner Überschwang:
Hamlet hebt sein schreckliches Haupt. Othello schleift
seinen Dolch als reinen Mörderdolch, mörderisch auch
für jede dramatische Zucht. Und wer weiß was sonst
noch? Es wäre Ehrenpflicht für die Akademie, es mit
mit der öffentlichen Moral für unvereinbar zu er-
klären, dergleichen Dinge zu importieren. Fahr wohl,
guter Geschmaek! Auf alle Fälle knöpfen Sie sich
einen ordentlichen Küraß untcr den Frack. Hüten Sie
sich vor den Dolchen der Klassiker — oder haben Sic
den Mut, sicli aufzuopfern für das Vergniigen von uns
Barbaren.“ Was Delacroix vermißte, war offenbar die
Natürlichkeit der Empfindung sowohl wie die Würde
der Haltung. Und Othello ist ja doch nicht ein uninter-
essanter Mörder mit dem Dolch, wie ein Neger, der
plötzlich „Rot“ sieht, sondern eine sehr tragische, sehr
menschliche Figur. Wie aber er, Delacroix, Othello
aufgefaßt sehen wollte, hat er damals nicht gleich in
eigenen Werken niedergelegt, auch in den dreißiger
Jahren nicht, als seine Shakespeare-Phantasie so lei-
denschaftlich um Hamlet kreiste, sondern erst in den
vierziger Jahren.

JTas Bild, das er im Salon von 1849 ausstellte (Ro-
baut Nr. 1079), iiber einen halben Meter breit, gibt
die Szene vor der Erwiirgung Desdemonas. Sie schläft
schon, er schleicht sicli lierein. Die Komposition ist
sehr weise ausgewogen, mit starker Regisseurkunst.
Auf einern Croquis dieser Komposition in Bleistift
(Robaut Nr. 1080) hat Delacroix einige Korrekturen
niedergeschrieben: „Herunter, darnit das Bett tiefer
kommf“. Und „die Frau nmß tiefer“. 13a aber in dem
Gemälde das Bett genau so lioch ist, wie in diesem

Croquis, darf man annehmen, daß diese Zeichnung
nicht etwa der Entwurf für das Bild ist, sondern viel-
melir eine nachträgliche Korrektur an seinein Bilde.
Und während auf dem Gemälde der hereinschleichende
Othello von jago begleitet ist, erscheint er in der
Zeichnung allein. Delacroix miihte sich sehr damit,
die Szene menschlich bedeutend zu machen.

Fr hat, wahrscheinlich in eben jenen Jahren, noch
ein anderes Othello-Bild geplant. Ob er es ausgeführt
hat oder nicht, ist nicht festgestellt. Man kennt es nur
in einer unpublizierten ruschzeichniing, die sieli auf
der Rückseite einer in der Bremer Kunsthalle befind-

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