Milly Steger
Yon
Paul F. Schmidt
Der Weg' Milly Stegers als Bildhauerin ging vom
Gelockerten zum Gesclilossenen; vom Impressionisti-
schen iiber Ekstatisches zur Darstellung ruhiger Exi-
stenz oline außerplastische Probleme. Ein langer Weg,
der durchaus nicht so selbstverständlich war, wie er
angesichts ilirer Werke erscheint, und der zwar der
allgemeinen Formentwicklung seit 25 Jahren unge-
fähr entspricht, nicht aber von dieser maßgebend be-
einflußt oder hervorgerufen ist. Ihr Lelirer Kolbe z. B.
Milly Steger, Stehende
Aus der Zeitsclirift „Das Kunstblatt“,
Yerlag Hermann Reckendorf
Berlin
hat eine entsprechende Wandlung mit größerer Mäßi-
gung nicht so ausgeprägt vollzogen; Maillol blieb sicli
eigentlich seit jeher gleicli; und G. H. Wolff, an dessen
Monumentalplastik man angesichts von Stegers letzter
Phase ein wenig denken mag, hat auch nicht eine
so bewegte Metamorphose durchgemacht, sein stati-
sches Ideal stand von Anfang an viel fester da als
das von Steger.
Gebiirtige Rheinländerin (aus Rheinberg am Nie-
derrhein), begann sie als Schülerin von Karl Jansen
in Düsseldorf, der gutes technisches Handwerk ver-
mittelte. Dann ging sie nach Berlin zu Georg Kolbe
und war mit ihm ein Jahr lang in Florenz (1905), wo
für den Bildhauer angesichts der unerschöpflichen
Kunstschätze immer noch am meisten Vorbild und
Anregung und Selbstkritik zu holen ist (für den Maler
weit weniger). 1910 trat sie zum erstenmal vor die
öffentlichkeit in der Berliner Sezession mit einem
Mädchentorso und erregte sogleich die Aufmerksam-
keit der Kenner in dem Maß, daß Karl Ernst Osthaus
sie nach Hagen berief, der Siebenundzwanzigjährigen
Haus und Atelier zur Yerfügung stellte und durch-
setzte, daß ihr der plastische Schmuck an den vom
Hochbauamt errichteten Gebäuden übertragen wurde.
So hat sie für Theater, Stadthalle, Sparkasse und ver-
schiedene Schulen Monumentalskulpturen gearbeitet
und zuletzt noch fiir das Theater van de Yeldes auf
der Kölner Werkbundschau von 1914 zwei Reliefs
geliefert.
Wer sich jener Vorkriegszeit noch entsinnen kann,
weiß vielleicht auch von dem heftigen Kampf, der um
ihre iiberlebensgroßen Gestalten an dem Hagener
Stadttheater entbrannte. Der fromme Teil der Ein-
wohner nahm Anstoß an der Nacktheit der Ideal-
figuren, die 50 m iiber dem Erdboden den First des
Theaters bekrönten, und verlangte ihre Entfernung.
Damals konte man sich noch um reine Kunstfragen
ereifern. Osthaus nahm sich mit der herrlichen Ener-
gie seiner Natur der befehdeten Kiinstlerin an, brachte
Gutachten von hervorragenden Klinstlern und Män-
nern des öffentlichen Lebens zugunsten der Figuren
und erreichte auch schließlich, daß sie oben stehen-
blieben. Heute nimmt natürlich kein Mensch mehr
Anstoß an ihnen, sie gehören zum Plagener Theater,
wie früher das Folkwang-Museum zu Ilagen gehörte.
Man kann daraus entnehmen, daß solche Entrüstungs-
stürme der Sittlichen nicht unbedingt aus spontaner
Pberzeugung entstehen, sondern Politik sind und aus
Blasebälgen künstlich angefacht werden können.
Im ganzen blieb Milly Steger acht jahre in Hagen.
Sie siedelte 1918 nach Berlin über, wo sie seitdem
geblieben ist. Die Monumentalaufträge wurden spär-
lich, aber man kann nicht sagen, daß ihr dies zum
Yon
Paul F. Schmidt
Der Weg' Milly Stegers als Bildhauerin ging vom
Gelockerten zum Gesclilossenen; vom Impressionisti-
schen iiber Ekstatisches zur Darstellung ruhiger Exi-
stenz oline außerplastische Probleme. Ein langer Weg,
der durchaus nicht so selbstverständlich war, wie er
angesichts ilirer Werke erscheint, und der zwar der
allgemeinen Formentwicklung seit 25 Jahren unge-
fähr entspricht, nicht aber von dieser maßgebend be-
einflußt oder hervorgerufen ist. Ihr Lelirer Kolbe z. B.
Milly Steger, Stehende
Aus der Zeitsclirift „Das Kunstblatt“,
Yerlag Hermann Reckendorf
Berlin
hat eine entsprechende Wandlung mit größerer Mäßi-
gung nicht so ausgeprägt vollzogen; Maillol blieb sicli
eigentlich seit jeher gleicli; und G. H. Wolff, an dessen
Monumentalplastik man angesichts von Stegers letzter
Phase ein wenig denken mag, hat auch nicht eine
so bewegte Metamorphose durchgemacht, sein stati-
sches Ideal stand von Anfang an viel fester da als
das von Steger.
Gebiirtige Rheinländerin (aus Rheinberg am Nie-
derrhein), begann sie als Schülerin von Karl Jansen
in Düsseldorf, der gutes technisches Handwerk ver-
mittelte. Dann ging sie nach Berlin zu Georg Kolbe
und war mit ihm ein Jahr lang in Florenz (1905), wo
für den Bildhauer angesichts der unerschöpflichen
Kunstschätze immer noch am meisten Vorbild und
Anregung und Selbstkritik zu holen ist (für den Maler
weit weniger). 1910 trat sie zum erstenmal vor die
öffentlichkeit in der Berliner Sezession mit einem
Mädchentorso und erregte sogleich die Aufmerksam-
keit der Kenner in dem Maß, daß Karl Ernst Osthaus
sie nach Hagen berief, der Siebenundzwanzigjährigen
Haus und Atelier zur Yerfügung stellte und durch-
setzte, daß ihr der plastische Schmuck an den vom
Hochbauamt errichteten Gebäuden übertragen wurde.
So hat sie für Theater, Stadthalle, Sparkasse und ver-
schiedene Schulen Monumentalskulpturen gearbeitet
und zuletzt noch fiir das Theater van de Yeldes auf
der Kölner Werkbundschau von 1914 zwei Reliefs
geliefert.
Wer sich jener Vorkriegszeit noch entsinnen kann,
weiß vielleicht auch von dem heftigen Kampf, der um
ihre iiberlebensgroßen Gestalten an dem Hagener
Stadttheater entbrannte. Der fromme Teil der Ein-
wohner nahm Anstoß an der Nacktheit der Ideal-
figuren, die 50 m iiber dem Erdboden den First des
Theaters bekrönten, und verlangte ihre Entfernung.
Damals konte man sich noch um reine Kunstfragen
ereifern. Osthaus nahm sich mit der herrlichen Ener-
gie seiner Natur der befehdeten Kiinstlerin an, brachte
Gutachten von hervorragenden Klinstlern und Män-
nern des öffentlichen Lebens zugunsten der Figuren
und erreichte auch schließlich, daß sie oben stehen-
blieben. Heute nimmt natürlich kein Mensch mehr
Anstoß an ihnen, sie gehören zum Plagener Theater,
wie früher das Folkwang-Museum zu Ilagen gehörte.
Man kann daraus entnehmen, daß solche Entrüstungs-
stürme der Sittlichen nicht unbedingt aus spontaner
Pberzeugung entstehen, sondern Politik sind und aus
Blasebälgen künstlich angefacht werden können.
Im ganzen blieb Milly Steger acht jahre in Hagen.
Sie siedelte 1918 nach Berlin über, wo sie seitdem
geblieben ist. Die Monumentalaufträge wurden spär-
lich, aber man kann nicht sagen, daß ihr dies zum