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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Septemberheft
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Riess, Margot: Dichter als Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0021

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dichterischen Produktion — 11 iec luxt der Maler in ihm
Yoriibergehend den Dichter „verdrängt“. In Erkennt-
nis der gleichen Gefahr, die sein dichterisches Schaf-
fen bedrohte, beschloß E. i'. A. Hoffmann eines Tages,
die Malerei ganz beiseite zu werfen, „weil micli die
Leidenschaft dafiir, liinge ich ihr auch nur im min-
desten nacli, wie ein griechisches Eeuer unauslösch-
licii von innen lieraus verzehren könnte“.

Charakteristisch ist, daß viele der Dichter-Maler —
eben mit dem Mute des außerhalb der Zunft Stehen-
den — schon manches von einer später allgemein
werdenden Kunstrichtung vorweggenommen lmben.
So Goethe und Stifter die impressionistische Anschau-
ungsweise, E. I. A. Hoffmann manches von dem heute
so hochgeschätzten Phantastiker james Ensor und
andern Yertretern einer reinen Ausdruckskunst, Bau-
delaire den — Futurismus, indem er ein Selbstbildnis
scliuf, auf dem er sich „sous rinfluence du haschich“,

Als unbedingt auffallend muß in diesem Zusammen-
liange einmal die Tatsache hervorgehoben werden, daß
ein so erheblich großer Prozentsatz der zeichnenden
oder malenden Dichtcr aus der Schweiz, der Boden-
seegegend oder ähnlichenLandschaftsgcbietenstammt.
Daß hier nicht etwa nur die besondern landschaft-
lichen Reize so zahlreiche Dichter zur Pflege der
räumlichen Künste verlockten, zcigt ein ßlick auf die
aucli an figiirlichen Darstellungen, Selbstbildnissen
und ähnlichem reichen Blätter dieser Künstler. (Man
denke außer an Gottfr. Keller nur an Salomon Geßner,
Lavater, J. P. Hebel, Carl Spitteler u. a. m.) AVir
dürfen hier in dieser uns zuerst nur „zufällig“ schei-
nenden Tatsaehe jedocli vielleicht eincn Beleg fiir die
an anderer Stelle von uns einmal ausgeführte 1 heorie
von der „Landselmft des Raumes“ sehen, die in höhe-
remMaße als die als „Landschaft der Zeit“ bezeichnete
Großstadt von vornherein zu den Künsten zu dis-

Gottfried Keller / Mittelalterliche Stadt

die Zigarette im Munde, darstellte, die Yendömesäule
um das Doppelte iiberragend, von Sonnen und Ko-
meten umgeben.

Daß die meisten der malenden Dichter dem Typus
des Romantikers angehören, ist aus dem Wesen des
hier zur Rede stehenden Problems begreifbar. Denn
der Sinn der Romantik erschöpft sich ja in der Sehn-
sucht nach Erweiterung der von Natur gegebenen
Grenzen, Sehnsucht, Ferne und Vergangenheit zu
überbrücken und sich zu eigen zu machen, Sehnsucht
auch, so wie die Grenzen des eigenen Ichs die Gren-
zen der einen Kunst aufzulösen und mit der
Schwesterkunst zu verbinden. „Die Earbe klingt, die
Forni ertönt“, sang Ludwig Tieck. Innerhalb der
Gruppe der Romantiker sind es wiederum meistens
die epischen Dichter, die großen Schilderer von Welt
und Leben (auch Gogol und Dostojewski gehören da-
zu), die sich immer wieder zu buchstäblicher Sicht-
barmachung, Realisierung des innerlich Geschauten
getrieben fiihlten.

ponieren scheint, die im Raurne geschehen, das im
Raume ruhende Ding im Besonderen zu verherrlichen
da sind. In der Großstadt, in der die Dinge nicht mehr
in reiner Isolierung, nicht mehr absolut als solche
sprechen, wo im großen Getriebe des Ganzen alles Ge-
schehen nur seine relative Bedeutung hat, mehr die
Funkiion der Dinge erlebt wird als die Dinge selber,
da der große Raurn fehlt, in den hinein die Dinge sich
breiten können, werden immer mehr die in der Zeit
geschehenden Künste der Sprache und des Tones ihre
Herrschaft iiben. Denn die Eindriicke räumlich-rhyth-
mischer Art, die ein Künstler unbewußt von Kindheit
an in sich aufnimmt, werden für seine ureigene Aus-
drucksweise und schicksalsmäßige Wahl der Kunst-
art bestimmcnder als so und so viele oft nachträglich
als „Einflüsse“ konstruierten Gegebenheiten, die sein
ßewußtsein bestimmen. Daher scheint es uns auch ge-
rade fiir das Problem der doppelsinnigen Begabungen
wesentlich, zu erfahren, ob ein Kiinstler aus einer zu
den räumliehen Kiinsten mehr disponierenden Land-
 
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