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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Septemberheft
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Riess, Margot: Dichter als Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0022

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schaft des Raumes oder aus der Grofistadt, d. h. für
uns eben aus einer „Landschaft der Zeii“ stammt.
Denn nur in diesen beiden Typen finden wir trotz
aller Nivellierung noch Unterschiede, die im Künstler
symbolhafte Giiltigkeit immer wieder gewinnen
können.

Ob es sich nun im Einzelfalle darum handelt, der
grofien Verlockung des Wagens, Sicherprobens auf
fremdem kiinstlerischem Gebiete nachzugeben, oder ob
der Antrieb zuin Bilden aus der selbsterzieherischen
Tendenz heraus geschieht, besser sehen und beobach-
ten zu lernen, wenn man sich mit der \ erpflichtung
des Nachbildens in Dinge und Gestalten vertieft:
jedenfalls ist den meisten dieser erlesenen Dilettanten
nicht das Resultat dieser zwischen Spiel und Kunst
sich zutragenden Betätigungen das Wichtigste ge-
wesen, sondern die Freude am Produzieren an sicli.
Goetlie, dessen Italienzeichnungen z. B. fiir ihn iliren
Zweck bereits erfiillt Iiatten, wenn sie ihm zur inten-
siveren Vorbereitung und Steigerung des Genusses der
fremden Landschaft und Kunst verholfen hatten, hat
in einem „Schema iiber den sogenannten Dilettantis-
mus oder die praktische Liebhaberei in den Kiinsten“
einige nachdenkliche Sätze iiber Gefahren und Vor-
teile des Dilettierens geschrieben, die zum Teil wie
eine Selbstrechtfertigung anmuten. Aus einer Brief-
stelle an Wilhelm von Humboldt, in der er diesen

bittet, ihm etwas iiber den praktischen Dilettantismus
in Spanien und Frankreich mitzuteilen, geht hervor,
mit welchem Frnst sich Goethe auch dem theoretischen
Studium dieses lieute viel zu geringschätzig bewer-
teten Gebietes gewidmet hat. Auch er sieht dabei in
der Beschäftigung und Kultivierung einer produk-
tiven Kraft im Menschen den wesentlichsten Vorteil
und stellt die Ausbildung solcher Kraft ganz allge-
mein als Ilaupterfordernis eiiier Erziehung auf. Dieses
sowie die vorsichtig ausgesprochene Meinung, dafi der
Dilettantismus echtes Kunsttalent anregen und ent-
wickeln helfen könne, ja, dafi der Dilettantismus als
eine notwendige Folge schon verbreiteter Kunst auch
eine Ursache derselben werden könnc, sollle unsrer
in kiinstlerischem Pessimismus allmählich erstarren-
den Zeit etwas zu denken geben. Vielleicht wäre ge-
rade der so viel berufenen Kunstkrise, die ja weit da-
von entfernt ist, eine blofi wirtschaftliche zu sein, am
ehesten damit zu steuern, dafi das Publikum mit einem
Stamm rechtschaffener, als solche erziehbarer Dilet-
tanten durchsetzt wird, deren Vorteil für den Künst-
ler einem blofi aufnehmenden Publikum gegenüber
ein AVissen um die grundlegendsten Sprach- und Spiel-
regeln wäre und aus dem wissendmachenden eigenen
Erlebnis des Ringens rait dem Stoff heraus ein end-
liches sehr erwiinschtes Abschätzenkönnen von Distan-
zen dem wahrhaft Schöpferischcn gegenüber?

Adalbert Stifter / Königssee

Mit Genehmigung des Yerlages Georg D. W. Callwey, München
 
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