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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Oktoberheft
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Tietze, Hans: Europäische Plastik: im Züricher Kunsthaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0058

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Ewald Matare, Edwin Scharff, Renee Sintenis, Chri-
stopli Voll, Joseph Wackerle da, von österreichern
Georg Ehrlich, josef Humplik, der Salzburger Joseph
Tliorak, Schöpfer selrr lebendiger Wachs- und Bronze-
porträts, und der junge Wiener Fritz Wotruba, dessen
aus dem Stein entstandene Größfiguren vor kurzem
in Essen berechtigtes Interesse erregten und nun auch
hier inmitten vielen Gipses kraftvoH ihren Platz be-
haupten. Eine stattliche Gruppe, deren Wcrke aufier-
lialb ihrer Heimat weniger bekannt sind, bilden die
Skandinavier Ahlberg, Eldh, E. U. Frank, E. Grate,
Ivar Johnsoon, Milles, Strindberg. und Finnen Aal-
tonen, Hannes Antere, Eelix Nylund; die Auswahl der
Eranzosen bringt Despiau, Drivier, jean Gauguin,
Laurens, Maillol, Poisson, Pompon, Wlericq, der
Belgier josef Cantre, Oscar Jespers, C. Minne, Henri
Puvrez, Vantongerloo, der Italiener Andreotti, Baroni,
Messina, Rambelli, Romanelli, der Spanier Gargallo,
Manolo. Dazu kommen noch die meist in Paris an-
sässigen Russen Lipschitz, Moryce-Lipszyc, Chana
Orloff, Peusner, Sarki, Zadkine, die Polen Wittig und
Zamoyski, der Kroate Mestrovic, der Holländer Hildo
Krop, der Engländer Henry Moore.

Diese Heerschau macht deutlich, dafi die Plastik der
Gegeinvrart in viel minderem Mafie, als dies Dei der
Malerei dieser letzten drei Jahrzehnte der Eall war,
auf der Suche nach neuen Problemen ist; zwar
gibt es auch liier Analogien zum „Konstruktivis-
mus“ oder zur „neuen Sachlichkeit“ der Malerei, aber
sie sind meist aus dieser eingedrungen und ftihren
nicht an die eigentlichen plastischen Probleme. Was
Georges Yantongerloo als „Rapport des volumes
emanant de l’ellipsoide“ oder Antoine Peusner als
„kinetische Konstruktion“ bezeichnet, fällt nur durcli

seine Dreidimensionalität unter den Begriff des
Plastischen. Man erspart sich viel Ungerechtigkeit
und Streit, wenn man diese ästhetisch wirksamen und
in einem starken geisiigen Bedtirfnis der Zeit wur-
zelnden Schöpfungen nicht aus einer Bequemlichkeit
des Denkens einer bereits bestehenden Kategorie des
Plastischen zuweist, sondern sie als eine neuartige
Fornr kiinsilerischer Aktivität bewertet. Warum sollte
der Krcis der Ktinste für alle Zeiten definitiv ge-
schlossen sein? Das achtzehnte Jahrlmndert hat den
damals bekannt gewesenen Mnsen die der Garten-
kunst zugeftilirt, das neunzehnte hat mit der Photo-
graphie der Kunst neue Möglichkeiten eröffnet. Jeder
Tag kann dem schöpferisclien Drang neue Wege er-
öffnen, es fälscht nur ihr Wesen, wenn wir ihn in ein
altes Scliema zu zwängen versuehen.

Die Ausstellung bestätigt, dafi trotz aller bedeut-
samer und anregender Experimente, die ttber alte
Grenzen vordringen, der Plastik — oder was wir als
solche empfinden — die Jahrtausende alte Verbindung
mit dem menschlichen Körper eine Gesetzlichkeit
gibt, die sich nicht in ein System von Fonneln fassen
läfit, die aber dennoch ihre Aufgaben, ilire Möglich-
keiten, ilire Grenzen und Arbeitsweisen regelt. Diesen
menschlichen Körper nicht nachzubilden und niclit
ziisammenzusetzen, sondern zu erleben und aus dem
Erlebnis neu zu schaffen, eröffnet einen solchen Reich-
tum von Tliemen, dafi sie, wie ftir die Vergangenheit,
auch ftir die Gegenwart und Zukunft unausschöpfbar
sind. Der Kreis plastischer Aufgaben erscheint aucli
in Ztirich so eng umgrenzt und so weit gezogen, wie
er es zu allen Zeiten gewesen ist; das altbewährte
Instrument reicht aus, alle Not und Sehnsucht unserer
Zeit. auszudrücken.

Rembrandt: Die Yerstoßung der Hagar. Feder und Pinsel. 13,5X17 cm.
Aus den Sammlungen Ssendvorn ä Blois und Alphonse de Stuers.
Aus der Yersteigerung Hofstede de Groot bei C. G. Boerner, Leipzig.
 
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