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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Novemberheft
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Wolbe, Eugen: Stefan Zweig als Autographensammler: zu seinem 50. Geburtstag am 28. November 1931
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0079

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stellt, wie es in meiner Sammlung mir ja bei oberen
nnd nnteren Geistern vielfacli gelungen ist, iminer also
den Scliöpfer womöglich im inspiriertesten nnd inten-
sivsten Angenblick seines Daseins. So möclite meine
Sammlung allmählich sich tiber bloße Sammelei zil
einem enzyklopädischen Charakterbilde niclit nnr der
Schrift, sondern anch der schöpferischen Produktions-
weise steigern.“

Der „jugendlich-frische Trieb“, den Goethe als den
Tmpuls der Autographensammlertätigkeit kennzeich-
net, spornt unsern Dichter auch jetzt — auf der Höhe
seines Lebens — an. Seine Leidenschaft fiir unsere
edle Kunst ist unvermindert, wie zu der Zeit, als der
Fünfzehnjährige den — erst in unseren Tagen nacli
Gebiihr gewiirdigten — Julius Stettenheini um ein
Autograph bat. Aber cr ist klüger, geduldiger, wählen-
der geworden. Minderwertige Stiicke aus der Frühzeit
seiner Sammelleidenschaft hat er bald abgestoßen;
bot sich ihm ein gutes Stiick, so ist er — wie er be-
kennt — „immer Ieichtsinnig“ gewesen. Er hat aber
diesen scheinbaren Leichtsinn nie bereut, denn er-
fahrungsgemäß ist ein gutes Süick nie zu teuer be-
zahlt. „Die Spliäre der Autographen kennt — da in ihr
alles eimnalig ist — keine Riickschläge: nie kann das-
selbe Stück nocli ein zweites und drittes Mal auf-
tauchen, Avie bei bibliophilen Seltenheiten, und was
man niclit sofort erhascht, bleibt fast innner fiir ein
Lebensalter unerreichbar.‘‘

Als Korrektur bedarf die Sammclleidenschaft der
Geduld, denn man muß warten können, oft Jahre um
Jahre, bis das langersehnte Stiick erscheint. Daruin
rät Zweig, man dürfe sich niclit verwirren lassen von
der Ungeduld etwa der Amerikaner, die nur den
momentanen Ruhm suchen und unklugerweise für
einen Brief von Bernard Sharu (von denen es wolil
viele Tausende gibt) mehr zahlen als für einen von
Beethoven (von denen vielleicht nocli hundert in
freiem Besitze existieren).

Da der Dichter aucli vielleicht die größte Saniin-

lung von Aiitographenkatalogen besitzi, so vermag er
das gesamte Gebiet zu übersehen; er weiß demgemäß,
welehe Autographen seit lmndert Jahren überhaupt
im Handel vorgekommen sind. Er besitzt etwa 3000
solcher Kataloge.

Nie hat sich Zweig darauf versteift, in seincr Samm-
lung möglichst alle berühmten Namen der Geschichte,
Kunst, Literatur und Musik zu vereinigen. Er ist sich
bewußt, daß alle Miihe, aller Fleiß, alle Geduld und
Kennerschaft nicht das Unmögliche möglich und eine
Sammlung wirklich lückenlos-vollzählig machen kön-
nen. Immer werden erlauchte Namen, repräsentative
Stiicke nocli fehlen müssen. „Aber gerade dieser Voll-
endung eines Planes sicli nähern und sie nie voll-
kommen erreichen, ist ja der eigentliche Reiz, der
jedem Sammler die Spannung erhält und mit der
Freude an dem Gelingen die Hoffnung auf noch zil
Erringendes vereint. Ich möchte sie nicht missen; und
so liebe ich die Stiicke, die ich nocli begehre, in einem
gewissen Sinne fast ebenso wie diejenigen, die ich
schon besitze.“

Der Besitzer des Insel- Verlages, Professor Kippen-
herg, gleichfalls ein bedeutender Handschriftensamm-
ler, bereitet die Herausgabe eines Gesamtkataloges cler
„Autographensammlung Stefan Zweig” vor. Dieöffent-
lichkeit wird dann staunen, was Fleiß, Kenntnis und
Beharrlichkeit bei der Zusammentragung kostbarer
Autographen vermögen. Hoffentlich weckt der Katalog
auch neues Interesse für unser edies Sammelgebiet
und fiihrt unserer ehrsamen Zunft neue Mitglieder zu!

Dem nunmehr Fünfzigjährigen aber entbietet der
Kreis der wissenschaftlichen Autographensammler
Heil und Glückwunsch. Manclie von uns erfreuen sich
seiner persönlichen Freundschaft; und keiu Blatt in
meinem „Gästebuche“ erfreut mich mehr als Stefan
Zweigs Eintragung, in dcr er sagt, er sei mir „in ge-
meinsamer Neigung verbunden seit Jahr und Jahr“
und immer wieder dankbar erfreut von der Gegenwart
meiner Schätze.

J. Smart Daffinger J. Smart

Drei Miniaturen aus der Yersteigerung der Sammlung Max v. Bleichert
Yersteigerung 9. Dezember 1931

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