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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Februarheft
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Born, Wolfgang: Türkische Kunst aus sieben Jahrhunderten: Ausstellung in der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0162

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Türkische Kunst aus sieben Jahrhunderten

Ausstellung in der Wiener Secession

Yon

Wolfgang Born-Wien

AIs man vor etwas über zwei Jahrzehnten in Mün-
chen die große Ausstellnng islamischer Kunst veran-
sialtete, handelte es sich noch um die allgemeinen
Fragen nach dem Wert und Wesen eines Kunstkreises.
der ungeheure Ländermassen umspannt. Inzwischen
hat sich die Problemstellung verfeinert und vertieft.
Die Welt des Islam setzt sicli aus Yölkern der ver-
schiedensten Herkunft zusammen. Sie überbaut eine

Gebetsteppich, Türkei

Fülle von alten Einzelkulturen. Die vorjährige Per-
sische Ausstellnng in London hat zum erstenmal die
Bedeutung der iranischen Wurzeln des islamischen
Kunstschaffens herausgestellt. Derzeit folgt Wien mit
einer ilirem Umfang nach weit bescheideneren, ihrer
Bedeutung nach jedoch durchaus nicht zu unter-
schätzenden Ausstellung türkischer Kunst. Die ge-
schichtliche Stellung Wiens bildete dabei einen wert-
vollen Rückhalt. Erstens haben sich in der Stadt, die
zweimal von den osmanischen Türken belagert worden
ist und späterhin in Friedenszeiten enge Handels-

beziehungen mit dem Orient unterhielt, besonders
zahlreiche materielle Zeugnisse türkischen Kunst-
schaffens erhalten. Zweitens aber ist das Interesse für
die Türkei gerade auf Grund der geschichtlichen Er-
eignisse in österreicli seither lebendig geblieben. Yon
Wien aus sind ja auch der Kunstwissenschaft ent-
sclieidende Erkenntnisse iiber die türkische Kunst zu-
teil geworden. Heinrich Gliick, der im Jahre 1950 all-
zufrüh verstorbene einstige Mitarbeiter Strzygowskis,
Iiat in mehreren Einzelstudien sowie in der bekannten
zusammenfassenden Darstellung innerhalb der Pro-
pyläen-Kunstgeschichte Ursprung und Entwicklung
der türkischen Kunst eingehend behandelt, und in
seinem Sinne hat Kurt Blauensteiner als sein engster
Schüler die Anordnung der Ausstellung getroff’en. Er
beschränkte sich dabei (angesichts der Grenzen, die
von vornlierein durch die wirtschaftliche Lage und
den zur Yerfügung stehenden Raum gezogen waren)
auf die kleinasiatische lürkei als das eigentliche Zen-
trum der Türkenherrsckaft.

Das bedeutet historisch die Epoche der Seldschuken
(von der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts bis ins
13. Jahrhundert) und die Epoclie der Osmanen, die
anschließend bis in die jüngste Yergangenheit reicht.
An Material standen der Secession neben dem Besitz
der öffentlichen und privaten österreichischen Samm-
lungen eine beträchtliche Anzahl von Leihgaben der
türkischen Museen zur Yerfügung, die Dr. Blauen-
steiner persönlich an Ort und Stelle ausgesucht hat.
Als Ergänzung sandte die türkische Regierung einige
Proben neuzeitlichen türkischen Kunstschaffens, öl-
gemälde und gemusterte Papiere nach westeuropäi-
schem Yorbild. Diese Yersuche bestätigen allerdings
wieder die Erfahrung, daß die Asiaten durch die ge-
waltsame Angleichung an Europa kulturell nur ver-
armen. Der innere Widerstand gegen das bildmäßige
Sehen der Natur ist bei den Türken Saclie des Blutes.
Die Turkvölker haben die Gestaltungsart der ab-
strakten Nomadenkunst ihrer zentralasiatischen Hei-
mat durch tausend Jahre nicht verleugnet. Ja, es ist
geradezu ihre Mission gewesen, aus diesen Elementen
eine städtische Llochkultur von unvergleichlichem
Reichtum an Formwerten zu entwickeln.

Südosteuropa hatte mehr als tausend Jahre vor dem
Eindringen Suleimans des Prächtigen die Herrschaft
nomadischer Turkvölker an sicli erfahren. Die Hun-
nen, die auf ungarischem Boden in der Yölkerwande-
rungszeit einen politischen Mittelpunkt ihrer Macht
errichteten, liaben uns unzählige Metallfunde hinter-
lassen, auf denen man die türkische Kunstsprache in
einem sehr frühen Stadium studieren kann. Die Orna-
mentik dieser Gegenstände besteht, soweit sie nieht
 
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