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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Februarheft
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Born, Wolfgang: Türkische Kunst aus sieben Jahrhunderten: Ausstellung in der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0163

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iranisches Lehngut ist, aus einem Motiv, clas Strzy-
gowski „Kreisblattranke" genannt hat. Es ist clies
nichts anderes, als das Urbild der Arabeske: ein aus
Schnörkeln und ringförmigen Yerdickungen gebildetes
Schlingwerk, das besonders gern als Durchbrucharbeit
auftritt uncl von vornherein zum „Tiefendunkel“ neigt.
Charakteristisch fiir die formale Erscheinung solcher
Metallobjekte ist fernerhin der „Schrägschnitt“, die
kantige Stilisierung der einzelnen Motive.

Gleicli das friiheste der in der Secession vereinigten
Werke bestreitet seine Dekoration aus diesen Ele-
menten. Es ist ein hölzernes Koranpult aus Konya.
Durch den Namen cles Sultans Keykavus bin Key-
khusrev, der in einer selir edlen Zierschrift (Süls) ein-
geschnitzt ist, wird es in clie Mitte des 13. Jahrhunderts
datiert. — Ein zweites, ebenfalls seldschukisches Stück
ergänzt unsere Vorstellung von dem ornamentalen
Urbesitz der f iirken in der willkommensten Weise.
Wir müssen uns vorstellen, daß neben der Metall-
bearbeitung, aus der die Kreisblattranke auch in ihrej'
Verwendung an anderen Materialien stammt, der
Kniipfteppich den wichtigsten Ausgangspunkt de-s
friihtürkischen Kunstschaffens bildet. Unter diesem
Gesichtspunkte gewinnt ein Teppichfragment aus dej-
Moschee des Sultajis Ala eddin in Konya seijieji be-
sonderen Wert, das voijj Museum für tiirkische und
islamische Kunst in Istanbul nach Wien geschickt
worclen ist. Es zeigt bereits die Trennung von Feld
nnd Bordüre, die für clie späteren orientalischen lep-
piche maßgebencl geblieben ist. Die Ornamentik ist
wieder abstrakt, aber im Gegensatz zu clern Koran-
pult durchaus kubisch geschlossen in ihren Bestand-
teilen — eine Eigenschaft, die nach Heinrich Gliick
das Raumerlebnis der Türken weitgehend bestimmt
uncl zum Verständnis cler türkischen Architektur her-
angezogen werclen muß. Dr. Blauensteiner hat auf
Grund dieser Überlegung in einem Sonderraum die
Entwicklung cler türkischen Architektur an ausge-
zeichneten Photographien erläutert. Wir sehen da vor
allem an den Medresen von Konya die Verschwiste-
iung des kubischen Aufbaues mit einer Ausstattung,
die sich in der Erfindung von verschlungenem Zier-
werk iiberbietet. Wir sehen aber auch, wie clie Os-
manen in Iznik, Brussa und Adrianopel die Romantik
der „heroischen Zeit" ihrer seldschukischen Vorgänger
iiberwinden und sich gewissermaßen geistig auf clie
Weltherrschaft vorbereiten. In Konstantinopel, wo die
Osmanen 1453 als Sieger einziehen, kommt es zur end-
gültigen Synthese. Sinan, als Architekt ein ebenbürti-
ger Zeitgenosse cles Michelangelo, baut die klassischen
Moscheen der Hauptstaclt. In den Teppichwirkereien
von Uschak, Kula, Ghiordes, in clen Seidenmanufak-
turen von Biussa und Skutari, in clen keramischen
Werkstätten von Iznik (dem alten Nicaea) und bei den
altberühmten Waffenschmieden von Damaskus ent-
stelit das türkische Kunstgewerbe, clas in dem Rahmen
cier neuen Architektur seinen malerischen Glanz ent-
faltet. Aber die Hauptstadt zieht unaufhaltsam Kräfte
an sich. 1514 siedelt der in einem Krieg gegeri Persien

siegreiche Sultan Selim II. Tausende von Arbeitern
aus I'äbris in Istanbul an. Der persische Einfluß, der
in Kleinasien schon stark war, gewinnt neue Maclit.
I'rotz cler sunnitischen Orthodoxie der Türken
entsteht eine eigene Miniaturistenschule in der
Hauptstadt, clie clen ererbten Ornamentgeist der Kalli-
graphie mit Wirklichkeitsdarstellungen verbindet. Die
I extilateliers cles Hofes („Piraz“) bringen AVerke von
höchster Verfeinerung des Geschmacks liervor. Der
Teppich, clas Erbstiick der kriegerischen Zeltkultur,
wird salonfähig. Aus allen Himmelsrichtungen strö-
men die Motive zusammen. Aucli Europa steuert bei,
wie es schon friiher Ostasien getan liatte. Neben chi-

Koranpult, Türkei

nesischen Wolkenbändern steheri barocke Kartuschen,
neben antikisierenden Säulen persische Tierkampf-
szenen. Uberall aber blüht es. Ein unerschöpflicher
Flor von Tulpen, Hyazinthen uncl Nelken briclit fröh-
lich aus dem Rankengrund der Eliesenwäncle. Die
berühmte Gartenkultur, die im XVI. Jahrhundert aus
Persien nacli der Tiirkei heriibergekommen war und
sicli dort iippig entfaltet hatte, spiegelt sich in der
Dekoration der Stoffe wie der Gefäße und Wand-
flächen.

Mit clem Eindringen europäischer Motive seit dem
XVII. Jahrhundert ist noch kein eigentlicher Verfall
der türkischen Kunst verbunden. Ja, die Verquickung
des europäischen Rokoko mit dem späten Entwick-
 
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