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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 13./​14.1931/​32

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Märzheft
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Schmidt, Robert: Der Dionysos-Kristall von Artur Loewental
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https://doi.org/10.11588/diglit.26237#0191

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Der Dionysos-Kristall von Artur Loewental

Yon

Robert Schmidt

Wir kennen Artur Loewental als ausgezeichneten
Bildhauer und Medailleur; vortreffliche lebensvolle
Porträtbiisten und f’ein empfundene Medaillen sind
aus seiner Hand hervorgegangen und durch Ausstel-
lungen und Kunstzeitschriften genugsam bekannt-
geworden. Ein kleinerer Kreis von Menschen nur weiß,
daß er sich auch mit einem heute sehr selten gewor-
denen Kunstgebiet befafit, das seiner enormen tecli-
nischen Schwierigkeiten wegen die meisten Künstler
abgeschreckt hat und eigentlich nur noch dem reinen
Kunsthandwerker vorbehalten geblieben ist: mit der
Glyptik, der Steinschneidekunst. Seit seiner Jugend
schon hat Artur Loewental sich mit den Problemen
des Steinschnitts beschäftigt und sich in unermüd-
lichem Streben die Kenntnis dieser edlen Kunst als
Autodidakt erarbeitet: delikate Porträts, in Berg-
kristali und in andere Plalbedelsteine eingeschnitten,
legen davon beredtes Zeugnis ab. Jetzt erst ist —
durch glückliclie Umstände — ein Jugendtraum des
Kiinstlers in Erfüllung gegangen: Als zwölfjähriger
Junge liatte er sich an den gerade damals im Wiener
Kunsthistorischen Hofmuseum aufgestellten Wunder-
werken der Glyptik so begeistert, daß das Ideal seiner
Lebenslaufbalin vor ihm stand. Er träumte davon,
einstmals aus einem selbstgeschaffenen Pokal aus
Halbedelstein zu trinken. Ileute, nach fast 40 Jahren,
stelit dieser Pokal in schönster Yollendung vor uns.
Ein Kunstfreund ersuchte den Künstler, ihm ein sol-
ches Trinkgefäß aus Halbedelstein als ein kostbares
P amilienkleinod, als ein zweites „Gliick von Eden-
hall“ zu sc-haffen. Er ermöglichte es ihm, diese lang-
wierige Arbeit durchzuführen und nahm aucli in
großzügiger Weise jedes Risiko auf sich, da ein Zer-
springen des Kristalls während der äußerst diffizilen
Schneidarbeit doch im Bereich der Möglichkeit lag.
Der Künstler wälilte als iVIaterial den klaren, durch-
sichtigen Bergkristall, um bei der figuralen Aus-
schmückung den bisher stets von ihm bevorzugten
Tiefschnitt anwenden zu können. Er wählte als Eorm
die des doppelt gehenkelten Kantharos, weil ihn ge-
rade die gewaltige Schwierigkeit reizte, die darin
liegt, den Pokal und seine beiden Plenkel in einem
Stück aus dem Kristallblock herauszuschneiden, ein
technisches Problem, das die antiken und mittelalter-
lichen Glyptiker gemeistert haben, das aber seit mehr
als einem halben jahrtausend von den Steinschnei-
dern gemieden worden ist. Fuß und Lippenrand soll-
ten in Gold gefaßt werden; der Pokal selbst sollte —
seiner Bestimmung gemäß — mit einem dionysischen
Figurenfries in Tiefschnitt geschmückt werden.

So stelit nun das bisher in seiner Art einzige Gefäß
fertig da. Die breite, weich geschwungene Kuppa mit
den beiden, ihre Pinie geschmeidig aufnehmenden
Henkeln, auf diesen Henkeln die Masken einer Bac-

chantin und eines Satyrs aus getriebenem Gold; am
Euß ein.goldener Akanthusfries in leicht historisieren-
der Form. Ringsum den Körper des Pokals aber zieht
sich ein geschnittener Fries von großen Figuren. Auf
der einen Seite ein dionysischer Zug; vorn zwei flöte-
blasende Knaben, dann der Gott selbst, mit Thyrsos-
stab und erhobener Schale weinselig vorwärts-
schwankend, neben ihm ein Panther; ihm folgt eine
tamburinschlagende, tanzende Bacchantin und ein
tanzender jüngling. Auf der anderen Seite eine AYein-
lese, an der alle Lebensalter sicli beteiligen. Links der
sitzende Greis; vor ihm Kinder, traubenpflückend
und in den Bottich schauend, den der Vater mit Trau-
ben füllt. Dahinter die Frau, Trauben aus dem Geäst
des Weinstocks greifend.

Es ist der Photographie unmöglich, die volle Wir-
kung dieser in kräftigem, mattiertem Tiefschnitt
gleichsam in der wesenlosen Klarheit des Kristalls
schwimmenden PTguren wiederzugeben; das prik-
kelnde Leuchten der gegeneinander abgesetzten
Flächen, der erregende Kontrast der vom Licht er-
griffenen, funkelnden Stellen zu den in weichen
Schatten gebetteten Partien kann nur richtig ge-
uossen werden, wenn der Kristall ins Licht gehalten
wird. Ebenso kommt auch nur dann die warnie
Schönheit der goldenen Masken und Randfassungen
zur Geltung, die dem kühlen lichtdurchströmten,
wasserklaren Kristall Leben und Folie geben. Das,
was der Künstler aus dem Kristall endgiiltig geschaf-
fen hat, kann jeder Beschauer mit dem Auge wahr-
nehmen. Was aber hier, bei diesem ungewohnten und
enorm schwer zu behandelnden Material, der Yoll-
endung vorausging, wie aus dem ungefügen Berg-
kristallblock in unendlicher Mühe die Rohform ge-
wonnen wurde, wie die Höhlung der Kuppa, die
Formung der Henkel vor sich ging, bis dann in die


zum ovalen Kegelstumpf abgerollt
 
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