Das chinesische Porzellan
und die ersten Nachahmungen in Europa
Yon
Friedrich H. Hofmann
In Kiirze roird im Propyläen-Verlag in Berlin die erste Kunst- und Kultur-
geschichte des Porzellans erscheinen. Es ist das Lebenswerk oon Professor Friedrich
H. Hofmann, dem hochverdienten ehemaligen Leiter des Residenz-Museums in Miinchen,
der im vorigen Jahre mitten in der Arbeit des Lesens der Korrekturen seines PorzellaTi-
werks gestorben ist. Nun ist das Buch Professor Hofmanns, der aucli zu den Mit-
arbeitern unseres „K u nstwandere r“ zählte, mit aller Sorgfalt im Sinne des Ver-
fassers fertiggestellt worden. Es bedeutet das hervorragende literarische Vermächtnis
des Forschers. Mit Erlaubnis des Verlages Ullstein veröffentlichen wir heute nach-
folgenden Aussclmitt aus dem ersten Kapitel des Werkes „D a s Porzellan der
e ur o p ä i s c h e n M a n u f a k tur en i m 18. J a h rliunde r t“. Dieses erste
Kapitel behandelt das chinesische Porzellan und die ersten Nachahmungen in Europa.
Vom chinesischen Porzellan kam die erste Kunde
nach Europa durch den Venezianer Marco Polo. der
seit 1271 im Dienste des Mongolenchans Chubilai stand
und 1295 iiber China und Indien in seine Heimat zu-
rückkehrte, wo er 1325 starb. Marco Polo berichtet,
daß man in „Tingui“ (gemeint ist wahrscheinlich die
Stadt Lung-tsüan in der Provinz Che-kiang) Porzellan-
gefäße in allen Größen herstelle, und bemerkt aus-
drücklich, daß diese Ware iiber die ganze Welt ver-
schickt werde, denn sie sei im Überfluß vorhanden
und so billig, daß man für einen venezianischen
Groschen drei Schüsseln oder acht Becher von einer
Qualität erhalte, wie inan sie nicht besser wünschen
könne.
In Marco Polos Bericht taucht auch zum erstenmal
das Wort „Porzellan“ in einer europäischen Sprache
auf; in der ersten italienischen Ausgabe seiner Erleb-
nisse, die im Jahre 1496 in Venedig herauskam, ist die
Rede von „scodelle e piadene di porcellana“. Die erste
deutsche Ausgabe erschien, allerdings stark gekürzt,
bereits im Jahre 1477 in Nürnberg unter dem Titel:
„llie hebt sich an das puch des edelii Ritters vn landt-
farers Marcho polo.“ Hier lautet der Eintrag: „... ist
ein stat, genät Tinghui, do macht ma schüsseln von
porcielane, die groß guts werd seyn.“ Wahrscheinlich
bezeichnet diese Stelle das erste Vorkommen des Wor-
tes Porzellan in deutscher Sprache überhaupt. Die
Chinesen selbst hatten früher die Bezeichnung „Yao“,
jetzt nennen sie das Porzellan „T’se“. Der Name „Por-
zellan“ geht jedenfalls auf das lateinische „porcella“,
d. i. Frischling, Ferkelchen, zurück. Dies wurde später
die Bezeichnung für die „Concha venerea“ oder Por-
zellanschnecke (Cypraea L.), eine schön gefärbte und
gezeichnete Schneckengattung der östlichen Meere.
Die Wahl dieses Namens erklärt sich oline weiteres
aus der Übereinstimmung der äußeren Erscheinung
der Muschel mit einem wohlgerundeten Schweinchen:
und die Ähnlichkeit der Seemuschel wiederum, die zu
Marco Polos Zeit noch in manchen Gegenden Cliinas
als Geld kursierte, mit dem emailartigen Glanz der
neuen, den Europäern bislang unbekannten Materie
der chinesischen Keramik gab V eranlassung zur Über-
tragung dieser Bezeichnung. Daß aber nicht die Portu-
giesen, wie man oft liört, die Namengebung erfunden
haben können, gelit aus dem Umstande wohl eindeutig
hervor, daß der Name der Porzellanschnecke, auf
keramische Produkte übertragen, bereits weit früher
vorkommt, als die Portugiesen durch direkte Handel-
sclmf't mit den Chinesen in Berührung traten. Denn
jedenfalls sind auch die ersten Porzellanstücke im
friihen Mittelalter nicht iiber Portugal, sondern über
Konstantinopel oder über Venedig, die alte Mittlerin
zwischen Ost und West, nach Europa gekommen.
Daß der Seehandel der Araber über Kairo und der
rege Verkehr, den Venezianer und Genuesen seit alters
mit dem Orient pflogen, gelegentlich chinesisches Por-
zellan als besondere Kostbarkeit nach Europa brachte,
ist selbstverständlich. Merkwürdig aber ist, daß die
europäische Geschichtschreibung des frühen Mittel-
alters, die doch sonst genug von Kuriositäten und
ausländischen Wunderdingen zum besten gibt, über
das Porzellan so gut wie nichts zu erzählen weiß.
Dagegen berichten bereits die zahlreich erhaltenen
hrventare französischer und spanischer Schlösser aus
dem 14. und 15. Jahrhundert vielfach von Gefäßen
aus Porzellan („plats“ oder „pots“ oder „petites es-
cuelles de pourcelaine“), so etwa die Inventare des
Herzogs von Anjou (1560—1568), der Königin von
Navarra, Jeanne d’Evreux (1372), oder die des Her-
zogs von Berry aus dem Jahre 1416. Allerdings dürfen
wir nicht bei allen hier als „Porzellan“ aufgeführten
Stücken an die Materie denken, die wir lieute so be-
zeichnen: viele werden wohl aus Email, andere aus
Glas oder Perlmutter gewesen sein.
Zweifellos echtes Porzellan aber ist gemeint bei den
um die Mitte des 15. Jahrhunderts zahlreich auftau-
chenden Nachrichten von Geschenken orientalischer
Herrscher an europäische Fürsten. So etwa, wenn wir
hören, daß der Sultan von Ägypten im Jahre 1447 an
König Karl VII. von Frankreich Geschenke schickt,
unter denen sich „trois escuelles de pourcelaine de
Sinant“ befinden: oder wenn wiederum ein Sultan
J 90
und die ersten Nachahmungen in Europa
Yon
Friedrich H. Hofmann
In Kiirze roird im Propyläen-Verlag in Berlin die erste Kunst- und Kultur-
geschichte des Porzellans erscheinen. Es ist das Lebenswerk oon Professor Friedrich
H. Hofmann, dem hochverdienten ehemaligen Leiter des Residenz-Museums in Miinchen,
der im vorigen Jahre mitten in der Arbeit des Lesens der Korrekturen seines PorzellaTi-
werks gestorben ist. Nun ist das Buch Professor Hofmanns, der aucli zu den Mit-
arbeitern unseres „K u nstwandere r“ zählte, mit aller Sorgfalt im Sinne des Ver-
fassers fertiggestellt worden. Es bedeutet das hervorragende literarische Vermächtnis
des Forschers. Mit Erlaubnis des Verlages Ullstein veröffentlichen wir heute nach-
folgenden Aussclmitt aus dem ersten Kapitel des Werkes „D a s Porzellan der
e ur o p ä i s c h e n M a n u f a k tur en i m 18. J a h rliunde r t“. Dieses erste
Kapitel behandelt das chinesische Porzellan und die ersten Nachahmungen in Europa.
Vom chinesischen Porzellan kam die erste Kunde
nach Europa durch den Venezianer Marco Polo. der
seit 1271 im Dienste des Mongolenchans Chubilai stand
und 1295 iiber China und Indien in seine Heimat zu-
rückkehrte, wo er 1325 starb. Marco Polo berichtet,
daß man in „Tingui“ (gemeint ist wahrscheinlich die
Stadt Lung-tsüan in der Provinz Che-kiang) Porzellan-
gefäße in allen Größen herstelle, und bemerkt aus-
drücklich, daß diese Ware iiber die ganze Welt ver-
schickt werde, denn sie sei im Überfluß vorhanden
und so billig, daß man für einen venezianischen
Groschen drei Schüsseln oder acht Becher von einer
Qualität erhalte, wie inan sie nicht besser wünschen
könne.
In Marco Polos Bericht taucht auch zum erstenmal
das Wort „Porzellan“ in einer europäischen Sprache
auf; in der ersten italienischen Ausgabe seiner Erleb-
nisse, die im Jahre 1496 in Venedig herauskam, ist die
Rede von „scodelle e piadene di porcellana“. Die erste
deutsche Ausgabe erschien, allerdings stark gekürzt,
bereits im Jahre 1477 in Nürnberg unter dem Titel:
„llie hebt sich an das puch des edelii Ritters vn landt-
farers Marcho polo.“ Hier lautet der Eintrag: „... ist
ein stat, genät Tinghui, do macht ma schüsseln von
porcielane, die groß guts werd seyn.“ Wahrscheinlich
bezeichnet diese Stelle das erste Vorkommen des Wor-
tes Porzellan in deutscher Sprache überhaupt. Die
Chinesen selbst hatten früher die Bezeichnung „Yao“,
jetzt nennen sie das Porzellan „T’se“. Der Name „Por-
zellan“ geht jedenfalls auf das lateinische „porcella“,
d. i. Frischling, Ferkelchen, zurück. Dies wurde später
die Bezeichnung für die „Concha venerea“ oder Por-
zellanschnecke (Cypraea L.), eine schön gefärbte und
gezeichnete Schneckengattung der östlichen Meere.
Die Wahl dieses Namens erklärt sich oline weiteres
aus der Übereinstimmung der äußeren Erscheinung
der Muschel mit einem wohlgerundeten Schweinchen:
und die Ähnlichkeit der Seemuschel wiederum, die zu
Marco Polos Zeit noch in manchen Gegenden Cliinas
als Geld kursierte, mit dem emailartigen Glanz der
neuen, den Europäern bislang unbekannten Materie
der chinesischen Keramik gab V eranlassung zur Über-
tragung dieser Bezeichnung. Daß aber nicht die Portu-
giesen, wie man oft liört, die Namengebung erfunden
haben können, gelit aus dem Umstande wohl eindeutig
hervor, daß der Name der Porzellanschnecke, auf
keramische Produkte übertragen, bereits weit früher
vorkommt, als die Portugiesen durch direkte Handel-
sclmf't mit den Chinesen in Berührung traten. Denn
jedenfalls sind auch die ersten Porzellanstücke im
friihen Mittelalter nicht iiber Portugal, sondern über
Konstantinopel oder über Venedig, die alte Mittlerin
zwischen Ost und West, nach Europa gekommen.
Daß der Seehandel der Araber über Kairo und der
rege Verkehr, den Venezianer und Genuesen seit alters
mit dem Orient pflogen, gelegentlich chinesisches Por-
zellan als besondere Kostbarkeit nach Europa brachte,
ist selbstverständlich. Merkwürdig aber ist, daß die
europäische Geschichtschreibung des frühen Mittel-
alters, die doch sonst genug von Kuriositäten und
ausländischen Wunderdingen zum besten gibt, über
das Porzellan so gut wie nichts zu erzählen weiß.
Dagegen berichten bereits die zahlreich erhaltenen
hrventare französischer und spanischer Schlösser aus
dem 14. und 15. Jahrhundert vielfach von Gefäßen
aus Porzellan („plats“ oder „pots“ oder „petites es-
cuelles de pourcelaine“), so etwa die Inventare des
Herzogs von Anjou (1560—1568), der Königin von
Navarra, Jeanne d’Evreux (1372), oder die des Her-
zogs von Berry aus dem Jahre 1416. Allerdings dürfen
wir nicht bei allen hier als „Porzellan“ aufgeführten
Stücken an die Materie denken, die wir lieute so be-
zeichnen: viele werden wohl aus Email, andere aus
Glas oder Perlmutter gewesen sein.
Zweifellos echtes Porzellan aber ist gemeint bei den
um die Mitte des 15. Jahrhunderts zahlreich auftau-
chenden Nachrichten von Geschenken orientalischer
Herrscher an europäische Fürsten. So etwa, wenn wir
hören, daß der Sultan von Ägypten im Jahre 1447 an
König Karl VII. von Frankreich Geschenke schickt,
unter denen sich „trois escuelles de pourcelaine de
Sinant“ befinden: oder wenn wiederum ein Sultan
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