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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1927)
DOI Artikel:
Popp, Joseph: Von der Macht der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0020

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smnenhafker Schönheit, schasfk sre eine zweike Welk neben der wirklichen, die
diese reiner, gesammelker und voller widerspiegelk. Kann die Malerei Farbe,
Lichk, Raum nichk im Wirklichkeikssinn geben, so kann sie doch aus ihnen nnd
mik ihnen schasfen, was keine Wirklichkeik birgk. Was wird aus Holz, Skein,
Bronze unker den Händen des Bildhauers; wo sonst sind die Bogen, Kuppeln,
Säulenhallen, Räume der Archikekkur! Was ist aller nakürliche Klang der
Sprache gegenüber jenem der Dichkung, was sind alle illakurlauke gegenüber
jenen der Musik?

Selbst das Wahre, Guke und Schöne gewinnk in den verschiedenen Künsten
seinen besonderen Sinn und eine gewisse Freiheik. „Der Künstler soll wahrer
gegen die Kunst als gegen die Rlakur sein" (Goethe). Auch dem Moralischen
gegenüber ist die Kunst sreier: es genügk, daß sie deren GeseHe nichk verlehk.
Selbsl dem Schönen brauchk sie nichk unbedingk zu dienen. Wie vieles ist au
der Kunstsorm nichk „schön", wirkk also nichk ästhekisch, ist aber an sich und
in Verbindung mik dcm Fnhalk inkeressank und vielseikig wirksam!

Damik kommen wir auf die ästhekischen Leistnngen und Wirkungen des Kunst-
werks. Mik der Möglichkeit solcher Wirkungen hak die Kunst auch die Ver-
pflichkung solcher Ark; denn das Bedürsnis nach dem Schönheiksmäßigen ist
ebenso ein nakurhafkes Verlangen des Menschen wie jenes, das die Kunst her-
vorgebrachk. Auch werden wir solche Leistungen von der Kunst vor allem er-
warken, da sie ja ihre Wirkungen wesenklich mikkels der Form erstrebk. Sie
hak aus solchen Anregungen das Ornamenk geschassen und die verschiedenen
Arken des DekoraLiven, sie wählk in solchem Sinn aus der lllakur ihre Mokive,
ergänzk, läukerk, bereicherk, stcigerk sie, löst für solche Wirkungen aus den Na-
knrsormen die einzelnen Formelemenke und sormk hieraus neue Gebilde, stellk
die Wirklichkeik aus solche besondere Erscheinungsweise ein. So ist aus llm-
riß und Binnenzeichnung der lineare Skil, aus der Farbe der Kolorismus,
aus dem umgebenden Lichk ein vielscikiges Helldnnkel, aus dem Räumlichen
die abgeklärke Schönheik des baulichen Raumes erstanden. So sind aus Work-
klang und Ton vielsache Ouellen der Schönheik entsprungen. Fhr zuliebc wurden
neue Ordnungen geschassen, die über ihre logische und organische Wirkuug
hinaus uns sreudeerweckende Anschauung bieken wollen: aller Gleichklang,
Rhykhmus, alle Symmekrie und Proporkion, jeder gelöste Konkrast dienen
solchem Zweck, aber auch jede freiere Ordnung, die als Erscheinung irgendwie
gefällt. Sie verbindcn sich mik dem Inhalk und dicnen dessen Veranschauli-
chung in irgendeiner Ark der Schönhcik. Dürsen wir nichk nach Ark der
Ästhckiker dem Schönen alle Kunstwirknngen unkerordnen, kann die Kunst
auch ohne die Schönheik als Ziel bestehen, so möchken wir diese hier am aller-
wenigsten missen; denn das Wesen der Kunst ersorderk mehr als jedc andere
Geistesleistung des Menschen diesen Einschlag, wenn er auch nichk enkscheidend
ist. Hier kann die Schönheik als Selbstzweck reiner sich enksalken als irgend
sonst in der Welk; denken wir nur an das Ornamenkale und Dekorakive;
denken wir an alle Süßigkeit der Melodie, den Reiz der ohrmäßigen
Symmekrie, der Allikerakion, den sprachlichen Gleichklang und Rhykhmus,
au die Linienformung und Farbenharmonien, an alle Wohlklänge des Räum-
licheu. So wird die Kunst im Znsammenhang von Inhalk und bedeukungsvoller
Form eine geistige Schöpsung besonderer Ark, die leHken Endes nnr aus sich

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