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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 8 (Maiheft 1927)
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Umschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0139

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Mlt einer besellgenden Hingabe. Seine
Wirknng beruhte ganz auf seiner Per-
sönli'chkei't, auf dem gesprochenen, ni'cht
auf dem gefchri'ebenen Wort. Alle die
jungen Leute, die zn Ihm kamen im Laufe
der Jahre, die er anzog wie der Magnet
die Eisenspäne, gewannen durch ihn nicht
eine lehrhafke Unterweisung im Zeichnen,
Modellieren, Enkwerfen oder Stilisieren,
sondern sie wußken und fühlten nun mit
einemmal, wie Kunft entstehen, wie sie
wirken müsse, wenn sie Beftand haben
soll. Bei Obrift vergeiftigken sich der Skoff
und die Technik, und zugleich verftand er
es, das heimliche Wachstum des Geiftes
und der Seele, die fruchtbaren Spannun-
gen des schöpferifchen Menfchen seherifch
zu verkünden. So kritifch ablchnend er
besonders die jüngfte Entwicklung ver-
folgte und so feurig er dabei übers Ziel
hinausfchießen mochte, — er war kein
Pessimift. Zu tief hatte er das Glück
des Schöpfertums erfahren, zn feft wur-
zelte er im Glauben an den Beftand des
Deutfchen, an die fortzeugende Macht des
Schönen in der Kunft. Noch in seinem
letzten Vortrage, den er in München hielt,
bekannte er sich zu diesen Leitfternen sei-
nes Lebens. Es wirkte wie ein Dermächt-
nis. Und wie ein getreuer Eckart ftand
er da, mahnend, warnend, anfeuernd.
Man gab ihm zu verftehen, Laß seine
Meinung fchrullenhaft, rückftändig und
überholt, daß er als Künftler ein wenig
vergessen sei. Es berührte ihn gar nicht.
Heute wie vor dreißig Jahren, da er
seine „Neuen Möglichkeiten" in die ftür-
mifche Diskussion warf und als Utopift
von allen braven Lehrmeiftern der Kunft
angefochten wurde, bekannte er sich zum
Seelenklima des unverwüftlich fruchtba-
ren Landes Utopia, denn:

„Nicht die bürgerlichen Wirklichkeiten sind
die Wahrheit, sondern von jeher waren
es nur die Utopien' der Männer und
Frauen von Gemüt, Verftand, Erfah-
rnng und Zielbewußtscin."

Mit diesem Glauben ift er, ein Kämpfer
um das fcheinbar Unmögliche bis zuleht,
von hinnen gegangen.

Eugen Kalkschmidt

Berliner Kunsiausstellungen

is in den März hinein ftanden die
Berliner gewiß unter dem Ein-
druck, daß alle gute Malerei, die sich
anzusehn nnd zu kaufen lohnte, faft ohne
Ausnahme in Paris gemacht worden sei.

118

Perls und Thannhauser hatten aus dem
Privatbesih und aus dem Handel eine
Unmenge koftbarer Werke zusammenge-
bracht. Bci Goldfchmidt war Signac ge-
sammclk worden und jüngere Franzosen
bei Mktor Hartberg. Jm Künftlcrhaus,
das Thannhauser für seinen Zweck seine
Räume zur Verfügung geftellt hatte, wa-
ren allein 260 Werke. Den Hauptsaal
beherrfchken Cezanne und van Gogh, und
von beiden waren Haupkwerke da. Es
gab aber auch sehr fchöne Meifter der
Barbizonzeit, besonders Eorot; ein koft-
bares Araberporträt von Gericault, ein
monumentales Gruppenbild von Ribot
nnd jenen Pagen mit dem Falkcn von
Couture, der ehemals in der Galerie Ra-
vene hing. Zu den zwei großen Mecr-
bildern von Manet fanden sich kleinere
fchöne Arbeiten des Meifters bei Perls,
der dazu besonders ausgesnchte Skückp
von Delacroix, Courbet und Renoir zu
zeigen hatte. Das Publikiim erwies sich
in einem unerwarteten Maße dankbar;
zeitweilig konnte in den Ausftellungsräu-
men diescr Häuser buchftäblich kein Apfel
zur Erde. So erfreulich die Wertfchätzung
guter Malerei ift, so spielt fraglos die
Mode grade bei den Franzosen keine
kleine Nolle. Die Hypnotisierung dcs Pu-
blikums ift hier ebenso reftlos gelungcn,
wie bis vor ganz kurzer Zeit vor den Ex-
pressiom'ftenarbeiten, d. h. — der Kotau
wird vor dem Namen oder vor dem Prin-
zip gemachk; die Oualität deS Werks -—
wer weiß ctwas davon? .Die Galerie
Matthiesen versuchte in einer großen Aus-
ftellung das Stilleben in der deutfchen und
französifchen Malerei von i8go bis zur
Gcgenwart dazuftellen; auch hier war das
Makeriall sehr umfangreich, die beiden
Nationen teilken sich zur Hälfke in die
Zahl der ausgeftellten Werke. Selbftver-
ftändlich waren Schuch, Corinth nnd
Thoma, Leibl und Sperl verkreten, be-
sonders fchön natürlich Slevogt; von den
Namen, die man seltener hört: Otto
Scholderer und Maria Slavona, von de-
ren feiner Kunft man wirklich gern mehr
als die ausgeftellten beiden Stücke ge-
sehen hätte. Die französifchen Gegen-
spieler waren Renoir mit einem großen,
Manet mit mehreren seiner kleinen Still-
leben, und nach längerer Zeit erblickte
man auch wieder Fantin-Latour. Wie,
fragt man sich, und das ift das Hauptev-
gebnis vielleicht aller dieser Ausftellnngen,
wie ist es möglich, daß sich daS Jntcresse
 
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