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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 9 (Juniheft 1927)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0193

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für Taken und Arbeit audrer Art, die seinen Schulkern genügk häLLe, kein Feld
sich ösfnete. Die Schwadron lag in Ruhe; außer einer Läglichen Verwendung
zu polizeilichcn und wirLschafLlichen Zwecken wurden keine Lorbeern geernLeL;
zudem wußLe man in dieser Phase des Krieges, immer von neuem aus eine große
Bewcgung oder einen Durchbruch hossend, miL der ReiLerei nichLs rechkes anzu-
sangcn. Der WingulL lies, nachdem er die paar Säcke vom Fouragewagen
gehoben und scine Pserde versorgL haLLe, mißmuLig und unnüH umher wie ein
lcibhasLiger Aklas, dem man die WelLkugel vom N!acken genommcn und der
sich ohne die ihm gebührende Laß nichk zurechkfindeL.

Als er das erste Mal nach seiner AnkunsL in Reih und Glied an einer Ansslel-
lung der Dragoncr kcilnahm, bei der die Ausrüstung der Mannschask gcmuslerk
werden sollkc, siel es aus, daß er neben dem Seikengeivehr eine kleine rundliche
Skeinflasche oder SLeinkruke, sasl kugelig, mik kurzem Hals, angeschnallk haLLe.
Sie war mik einem großen setkigen Kork verschlossen; auch die Mnndung des
BehälLnisses glänzke ölig. Man verwies es ihm, den Gegensland mikzusühren;
er gehörc nichk zur Ausrüslung und beschwcre ihn nur; zwci Feldflaschen mik
Kasscc oder Tee oder was er wolle, seicn erlaubk.

Dcr WingulL Lrug bedächtig den beanslandeken Gegensland in sein Quarkier
und legke ihn ab. Bei der nächslen Ausslellung aber erschien er wicder mik der
feLligcn Skeinkruke am Niemen. Was er denn eigentlich darin habe, sragke der
WachLmeisler, nun stuhig ob der selksamen UnboLmäßigkeiL. „Erdöl", sagke
der Wingulk. Das sei doch ganz unnüH, meinke der WachLmeisler; ob er denn
auch eine Lampe bei sich Lrage? Der WingulL aber erwiderte: das Erdöl
brauche er gar nichk sür eine Lampe, sondern sür den seuerspeienden Berg. Was
das sei, sragkc der WachLmeistcr ärgerlich. Aber es war aus dem WingulL
nichk mehr herauszubringcn, als daß er das Pekroleum sür irgendein Kunslstück
brauche. Er brauche es ebcn und es mache ihm Freude. Andere häLLen doch
eine Mundharmonika in der Tasche oder ähnliches, und das sei das gleiche.
Die umstchcnden Dragoncr lachkcn über den Eigensinn des alkcn Mannes, der
vor dem vicl jüngeren IlnLerossizier so gewichkig eine Liebhaberei verkeidigke;
und da von einer Belastung von Wingulks gewalkigen Lenden durch den klei-
nen Gegcnsland keine Rede sein konnle, behielk er seine Steinkruke.

Während nun der Wingulk so unausgenutzL durch die Tage und NächLe Lrieb
nnd darunker mehr seufzte als unker irgendeincm Gewichk, das jemals seinen
Rücken drückte, griss er ofk halbenkschlossen nach der geheimnisvollen Kruke an
seincm GürLel. Er schicn den Enkschlnß zu erwägen, sich irgendwie enkschei-
dend zu besreien. Dann aber schob er das SLeinbehälknis immer wieder zurück,
als ob er noch ohne das LehLc auszukommen gedächke. Eines Abends jedoch
konnke er sich nichk mchr lassen. „Achknng", ries er den Kameraden zu, die ge-
langweilk, aber weniger unzusrieden als er im Dunkel eines ausgeräumken gro-
ßen WirLszimmers um cinc einzclne Kerze versammelk waren: „Achkung! der
seuerspeiende Berg!" Es enkstand eine Pause. Der WingulL bekreuzke sich.
Dann nahni er aus sciner Kruke cinen gewaltig großen Schluck Pekroleum in
die Höhlung seines Mundes und pruslcke es durch die Flamme eines Zündholzes,
das er in der hohlen Hand rasch angestrichen haLLe. Eine dicke schwelende Feuer-
wolke suhr von seinem GesichL sork und erlosch, nach allen Seiken in kurzlebi-
gen Flammen auseinanderfahrend.
 
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