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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 40,2.1927

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Heft 9 (Juniheft 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.8882#0241

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kungSunterschiede zu erkennen nnd wieder-
zugeben, ersteht anch die Wiedergabe der
Betvegung. Jm nächsten Verlans tvev-
den die einzelnen Richtnngen ini Zusam-
menhang mit der Gesamtform gesehen,
grenzlos ineinander ubergesührt und so
ihre organlsche Elnheit erreicht. Zuletzt
wlrd die Veränderllchkeit solcher Rich-
tungszusammenhänge und -übergange er-
kannt nnd gegeben; also das, was man
sonst Verkürzung und Überschneidung
nennt, die räumliche Darstellung.
Dem Darstellen muß stets die jeweilige
Vorstellungsmöglichkeit vorausgegangen
sein; erst öann ringt daS Kind um die
äußere Verwirklichung des innerlich
Ersaßten. Es zeichnet aus sich Gegenstände
nicht ab, es gibt nur Eindrücke und Er-
lebnisse aus Augen-Ersahrungen wieder.
Die raumplastische Darstellung im Sinne
der Linearperspektive existiert darnach für
das Kind !n keiner Weise, wie sie ja auch
für den Künstler nicht zu existieren
braucht; sie ist ein wissenschaftlicheS Hilss-
mittel, das an sich keinen künstlerischen
und ästhetischen Wert hat, nur nach Um-
ständen haben k a n n. Wenn das Kind
also Derartiges zur Darstellung bringt,
so ist dies der Niederschlag von gesehe-
nen Darstellungen Erwachsener oder das
Ergebnis eines derartigen UnterrichteS,
daö als etwas Unorganisches und Stören-
des den ästhetischen Wert seiner Leistung
beeinträchtigt.

Vor dem Zeichnen nach der Natur und
elementaren Anweisungen für die Linear-
perspektive, was sür die Zwecke des Le-
bens notwendig ist und deshalb von der
Schule geboten werden muß, steht das
Zeichnen auö der Phantasie und Erinne-
rung, der Vorstellung als die dem Kiud
gemäße 2lrt des geistigen Ausdrucks. Und
hiefür wie sür ihre lehrhaste Beeinslus-
sung gelten jene oben angedeuteten Stu-
fen. Diese hat der Lehrer durchaus zu
beachten und zn achten, an sie muß er
das kindliche Eigen-Gestalten anschließen,
und er wird erstaunliche Erfolge erzielen.
Daneben läuft jene besondere Art der
kindgemäßen schematischen Vereinfachung,
mittels derer Unterrichtsinhalte vom Leh-
rer aus d!e Tafel gezeichnet werden, um
sie dem Kind näher zu veranschaulichen
und ihm durch Nachzeichnenlassen zu inni-
gerer Aneignung zu verhelsen. Solche
Zeichnungen haben aus den angegebenen
Gründen alles Realistische zu vermeiden
uud deshalb auch die linearperspektivische

Darstellungsweise; sie sind nach Art flä-
chenhafter Bilder zu halten.

Ausnahmsloö und streng gilt das oben
Gesagte sür die Zeichnungen, d!e das Kind
nach seiner Wahl oder einem gegebenen
Thema auö seiner Vorstellung glbt. Der
Lehrer hat hier lediglich die Aufgabe, ihm
auf Verlangen zu helfen, daß es lnner-
halb seiner Vorstellungs- unö Darstel-
lungsstufe den Ausöruck findet, und zwar
durch Hinweis auf richtige Darstellungen
solcher Art von fortgeschrittenen Äin-
öern oder auch von primitiven Kunstwev-
ken, die auf dieser Stufe stehen. Und
dann muß in solchem Sinn tüchtig ge-
arbeitet werden, wie das jüngst für das
Gebiet der Sprache in einem auögezeich-
neten Buch „Gedichte meiner Buben" Fritz
Rahn (Verlag Silberburg, Stuttgart)
entwickelt und mit großem Erfolg belegt
hat. Auch das entspricht der kindlichen
Natur: das Kinö braucht und will Hil-
fen. Deshalb ist es ganz falsch, Kinder
leöiglich auf gegenseitige Hilfeleistung
festzulegen oder sie mit allgcmeinen Hin-
weisen abzuspeisen; das leistet nichts für
die Gewinnung einer höheren Form und
führt nur zu äußerlicher Nachahmung
eines geistig noch nicht Bewältigten.
Wenn wir nach diesen kurzen Andeutun-
gen die Darstellungen aus der Schule
Specht bedenken, so sind sie einerseits gar
nichts Besonderes an Leistung noch an
psychologischem Aufschluß, dagegen voll
fremder Elemente: im Straßenbild miß-
verstanöene Nachbildung öerartiger Post-
karten und sonstiger Ansichten, im Nord-
seebild Auswirkung einer Anregung des
Lehrers (vgl. Text Seite läi), in der
Kreuzigung die allegorische Wiedergabe
der Schädelstätte, die einem Kind nie ein-
fällt. Typisch Kindliches im Sinne selb-
ständiger Darstellung enthalten sie nur
wenig, sie sind in allem, bis inS Schmie-
rige öer Darstellung hinein, schlagende
Beispiele für ein durchaus undisziplinier-
tes Vorstellen und Gestalten, das mehr
sein will, als es leisten kann. Hierzu
mag bemerkt werden, daß zwar der
früheren Redaktion zoo Blätter zur Ver-
fügung standen und wohl auch eine an-
dere AuSwahl getroffen weröen konnte,
daß aber doch die Zeichnungen von Gette
und Konrad sich unter den vorgelegten
Beispielen befunden haben.

Was man mit klarer Einsicht und syste-
matischer Anleitung erreichen kann, zeigen
aus hunöert ähnlichen Beispielen zwei Ar-

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