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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Reitz, Leopold: Der Kurfürst wird kurios kuriert
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0016

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der selber sich mit Vergiftungsgedanksir trägt, wsil keines seiner geist-
vollen Rezepte verfangen kann, den kurfürsilichen Appetit, welcher hinters
Zwergfell zurückgerutscht sein mochte, auf die Zungs zu locken; dem Hof-
narr wird die angestaute Laune sauer, er leidet an Derstopfung und läuft
Gefahr, zum Misanthrop zu werden: die zwölf Hoftrompeter schnaufen
wis gestopfte Gäns und haben die Ambuschur vsrloren, die.Pagen sehen
verlottert und verkommen aus, die Mosse stehen steif in den Ständen und
haben Blähungen; vorbet sind die Auffahrten im schimmernden Staat der
Karossen, verstummt ist das mutige Hallali zu Sauhatz und Fuchsprellen.
Zerstoben die goldenen Schäfsrspiele, Daketenfest und Feuerwerk ver-
sprüht, wie lange schon! Horribel, die Damen vom Ballet setzen Fleisch
an, wo es nicht hingehört, Redoute und Komödie — es war einmal, die
Galanterie stirbt aus.

^on Oieu, des Fürsten Krankheit grassiert durch die Znfluenzketts
des amtlichen Dienstwegs, den Premierminister ergreifend, dte Hofräte,
die Oberamtleute, die Landschreiber und Fauthe bis ins hinterste Aest
zu den Schultheihen, die darum ihre Bauern kujonisrsn. Dis Politik des
Kaisers leidet darunter und versackt: denn angesichts der Krankheitskunde
wurde dem kaiserlichen Geschäftsträger ein Kurier nachgehetzt mit der
Ordre, zur Derhandlung mit der pfälzischen Degierung die Gsnesung des
Degenten abzuwarten. Aus solch einsr Derzögerung kann natürlich der
Deichsdiplomatie Dachteil erwachsen von weltpolitischen Ausmahen, mit-
hin, dah es nicht übertrieben gesagt ist: der liede Gott ist krank.

Der arme, reiche Fürst, was nützts ihm, dah allsonntäglich in den
Kirchen des Landes für seine Wiedergenesung gebetet wurde, nach dem
Komment der einen zu St. Levinus und den hl. drei Königen, nach der
Weise der anderen direktement zum Geber aller Güter.

Aber welche Krankheit hat denn Seine Durchlaucht zu haben geruht?
Antwort: Das Dheuma, das Gliederreißen.

Ia ja, wenn dem iRheuma nach kargen Winterquartieren bei den
Dauern einmal Audienz gegeben wird von einsm Fürsten, dann kommt
es gebührendermahen mit stattlicher Suite, alsda ihm beigegeben sind:
Herzstechen, Uebelkeit, Verstopfung der Leber und des Darms, Hauptweh.
Keuchen- und Milzstechen. Einer von Gottes Gnaden tut es eben nicht
einfacher und hält auch hierin auf grohes Zeremoniell. Warum auch nicht?
Hat er doch für jede erhabene Funktion seines Leibes ein besonderes
Hofamt und kann aus dem Kreis seines medizinischen Hofstaats einem
jeglichen Gebrest die Ehre der Wahrnehmung durch eine Spezialkapazitüt
angedeihen lassen. Wo war auf hundert Stunden rechts und links des
Dheins für Seine Vielgestrengen, das Rheuma, ein ähnlich fürstliches
Quartier, wo hätte ihm ein Marschalldienst kommandiert werden können
wie hier in dem hochweisen Medizinalkollegium, noch besonders illustre
geworden durch Leuchten der Heidelberger Fakultät, die sich täglich zu
der Ehre würdig machten durch emsige Defragung der Schriften des
Hippokrates, durch Opferschweiß, vergossen auf des Parazelsus unweg-
samen Ideengängen und über der Weisheit von Salerno.

Wenn es auch frivol wäre zu sagen, die Aerzts hätten sich der Ge-
legenheit gefreut, einmal die Hoffriseure und Dallettmeister gewissermaßen

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