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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Presber, Rudolf: Auch eine Heidelberger Studentenerinnerung
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0094

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Die war damals schon. Das Haus gehörte einer Persönlichkeit, die
ebenso mythisch blieb, wie Apollonius aus Tyana in KappaLozien. Man
sah sie nie. Die sehr vislen Hllbsch möblierten Zimmer vermietete in
ihrem Auftrag eine ältere Dams, Fräulein Sch ..., die immer erkältet war.
Ich habe fünf Semester da gewohnt, aber nie konstatisren können, ob
sie eigentlich eine Alt- oder eine Sopranstimme besah; sie war immer
heiser. 2hr zur Seite stand ein untersetztes, resolutes Hausmädchen, die
Helene, die gut, fleihig und freundlich für ihre Studenten soygte.

Eines Morgens befand sich an meiner Wohnzimmertür ein Zettel
angeheftet, auf dem in meiner, nie sehr schönen Handschrist zu lesen war:
„Liebe Helene — nicht wecksn, bitte!"... Mir war osfenbar bei der
Heimkehr in der Nacht flüchtig zum Bewuhtsein gekommen, dah mir nicht
gut sein werde am anderen Morgen, und daß der mythische Apollonius
aus Dyana in Kappadozien seine Anziehungskrast umsonst auf meine zu
schwachen Lebensgeister ausüben wecde.

Meine Ahnung trog nicht. Ich hatte — um es kuxz zu sagen — einen
der riesenhaftesten Kater meines in seinen frühersn Stadien an solchen
Peinlichkeiten nicht armen Lebens. Auch war ich nicht ganz ordnungs-
gemäh zu Bett gegangen; hatte das Haupt irrtümlich zum Schlummer
auf einen harten Gegenstand gelegt und die Beine, ohne Rücksicht. aus die
erfrischende Morgenkühle, schlecht zugedeckt — mit einem Wort: mir war
sehr übel zumute, als ich ... ja, als ich doch geweckt wurds. Von Helene.

„Herr Doktor", sagte die Hekene — man wurde damals allgemein
„Herr Doktor" genannt: lange eh' man's war. Als der Kutscher, der mich oft
ins Aeckartal hineingefahren, mich später zum Examen fuhr und mir, da
ich „bestanden" herauskam, als erstsr mit Peitschenknall den Glückwunsch
stammelte, da hielt er plötzlich in seinsr Gratulation inne, von einem
quälenden Gedanken sichtlich gehemmt, und meinte: „Ei ja, Herr Doktor,
muh i dann jetzt Herr Professor zu Ihne saage?" ... Ich bin schon wieder
wo anders. Zcknd will doch zum König von Griechenland.

Also: „Hsrr Doktor", sagte die Helene — „also Sie müsss ganz
g'schwind aufstähe!"

„Wieso?" 2ch glaube, ich habe damals bloß „wieso" gesagt. Absr in
Liesem „wieso" lag sicher mein ganzer, tiefer Abscheu vor der bodenlosen
Medertracht dieses Borschlages.

„Ei also", sagte die Helene, und ihr freundliches Gesicht nahm die
Miene gelinder Berzweiflung an, „ei, also — dsr Kronprinz von Grie-
chenland — ei, Sie wisse doch, der will seiner jungen Frau sei alt
Wohnung zeige."

Wenn mir die Helene gesagt hätte, der Schah von Persien wolle jetzt
hier um meinen Nachttisch sofort ein Kamelwettrennen veranstalten oder
die Fischerinnung von Spitzbergen habs mein Waschbecken angekauft,
um junge Seehuyde darin aufzupäppeln, so wäre mir das zunächst auch
nicht abenteuerlicher erschienen. Und ich hatte ein Schädelweh — o Gott.
ein Schädelweh —!!

„Der Kronprinz von — Griechenland— wieso?"

„Ei, also" — die Helene fing ihre Sätze stets mit „ei, also" an; es
gab aber auch einige verwickeltere Konstruktionen, die sie durch „also, ei"

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