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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Becker, Albert: Kaiserslautern oder Kyffhäuser?
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0177

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Ueber die Art der Entstehung diefer Sage ist man sich in der Forschung
noch nicht völlig einig. Dvch scheint die deutsche Kaisersage in ihren
Wurzeln und letzten Derästelungen fremden Arsprungs zu sein. Die Ge-
stalt Friedrichs wurde eingespannt in eine fast bis zu den Rranfängen der
geschichtlichen Menschheit zurückreichende Dorstellungsreihe. Die neuere
Forschung, vor allem F. Kampers, hat mehr und mehr aufzuhellen ge-
sucht, wie sich da uralter Mythus von Antergang, und- Wiederkehr der
Sonne, Dorstellungen vom goldenen Paradieseszeitalter der Menschheit,
dessen Erneuerung am Ende der Zeiten ersehnt wird, und der Glaube on
einen Messiaskaiser und Erretter aus der Weltnot seltsam miteinander
mischen. Bald heidnisch bald christlich gefärbt, sind diese eschatologisch-
apokalyptischen Hoffnungen immer auf neue Weltherrscher bezogen wor-
den und haben sich mit einem wirren Gestrüpp dunkler und vieldeutiger
Prvphetien umgeben, die großenteils erst nach den angieblich voraus-
geschauten Ereignissen verfertigt waren.

Gilgamesch-Mmrod, Herakles, Alexander, Augustus, Konstantin und
Karl der Große find Vorläufer Friedrichs II. Wie wir noch manchen da
und dort in neuerer oder neuester -Zeit am- Tode etwa Josephs II., Na-
poleons I., Maximilians II. oder Ludwigs II. von Dayern zweifeln sehen;
wie noch jetzt der königstreue Grieche auf die Wiederkehr König, Kon-
stantins hofft, so erwuchs in Friedrichs II. sogleich heiß umstrittenem
Heimatreich Sizilien zuerst der sehnsuchtsvolle Glauben an des Kaisers
heimliches Fortleben und seine Wiederkehr. Hier in Sizilien stand um
1261 schon öer erste falsche Friedrich auf, und schon hier am Aetna, dsm
Eingang in die Unterwelt, mischte sich aus der Artussage den Dorstellun-
gen öer Zug d-er Dergentrückung bei, wie wir ihn dann an dem steinernen
Fels bei Kaiserslautern Haften sehen. Auch die Geschichte von dem Hecht
im Kaiserslauterer Kaiserwoog oder den beiden Karpfen, die das Flug-
blatt von 1537 erwähnt, macht nur einen alten orientalischen Sagenzug
in pfälzischer Derörtlichung lebendig: d-er Kaiser als Fischer. Der Fisch
ist Lräger des Göttlichen, ist Ehristi Symbol, weil er selbst in alten unö
jungen orientalischen Mythologemen Gott ist. Christus ist der himmlische
Fischer und selbst Jchthys. Die von dem pfälzischen Historiker Freher in
seinen Ori^ines palminae 1599 zuerst erwähnte Geschichte von dem 267
Iahre alten Hecht, öen Fried-rich II. selbst 1230 in den Woog g-esetzt und
der 1497 gefangen word-en sei, knüpft wohl an die zwei Karpfen in Stein
an der Metzlecpforte zu Kaiserslautern an; daß Friedrich II. 1230 gar nicht
in Deutschland war, hat schon I. G. Lehmann in seiner Geschichte Kaisers-
lauterns (1853) richtig bemerkt.

Die Sage von den Kaiserslauterer Fischen zeigt, d-aß bereits früh die
Derbinöungslinien vom Mythus d-es Ostens zur jungen deutschen Kaiser-
sage führen. -Zur Ausbildung dieser tief in der Dolksseele verankerten
KLisersage kam es abec erst nach der llebertragung d-ieser und anderer
Dorstellung-en auf deutschem Doden. Die sizilianische Aetnasage, in deren
Dereich auch Ler Enderls von Ketsch erscheinO, bereitete den Doden,
auf dem das diesseits und jenseits der Alpen, bald hier, bald dort auf-

^ Dgl. dazu K. Lvhmeher in diesem „Jahrbuch" II, 1926, 192 ff.,' zu dem Hecht
vou Kaiserslautern „Mannheimer Gesichichtsblätiter" 28, 1927, 76.

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