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Lehrs, Max [Hrsg.]
Geschichte und kritischer Katalog des deutschen, niederländischen und französischen Kupferstichs im XV. Jahrhundert (8, Textbd.): [Der Meister des Hausbuches und die oberdeutschen Stecher] — Wien, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.34743#0286
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272

JÖRG SYRLIN DER JÜNGERE

Ich fand erst im September 1898 ein intaktes Exemplar beider Platten
untereinander auf einem Biatt abgedruckt in der Bremer Kunsthalle
und habe es auf Taf. 236 des vorliegenden Bandes abgebildet. Der durch
das Monogramm zweimal beglaubigte Kupferstich ist der einzige von
der Hand des jüngeren Syrlin erhaltene, und ich glaube weniger, daß
ihn der Künstler für einen bestimmten Weihbrunnkessel, den er aus-
zuführen hatte, angefertigt habe, als vielmehr als Vorlage für andere
Bildschnitzer oder Steinbildhauer. Es liegt wohl nahe, daß er, ebenso
wie Veit Stoß, solche Vorlagen zur zünftigen Ausführung für andere
gefertigt habe. Der Weihbrunnkessel Jörg Syrlins zeichnet sich vor den
zehn von Veit Stoß erhaltenen und ebenfalls mit dessen Monogramm
und Werkzeichen signierten Kupferstichen durch die größere Klarheit
und Einfachheit der Stichelführung aus. Er ist nicht so malerisch und
radiermäßig wie die Blätter des Veit Stoß behandelt, verteilt aber mit
guter Kenntnis das von rechts oben einfallende Licht über die streng
gotisch gefühlte Konstruktion des Aufbaus mit seinen Nischen und
ihrem Stabwerk. Ob er zur Ausführung in Stein bestimmt gewesen sei,
da es nach den Darlegungen von Klemm und C. v. Fabricy* wahr-
scheinlich gar keine Steinarbeiten von der Hand des jüngeren Syrlin
gibt, der lediglich Bildschnitzer gewesen zu sein scheint, bleibt
fraglich.
Es ist aber keinesfalls richtig, wenn v. Lützow die Übereinstimmung
des achteckigen, mit spätgotischem Ast- und Blattwerk überzogenen
Weihbrunnkessels im Ulmer Münster mit unserem Kupferstich als ge-
sicherte Tatsache hinstellt, und in dem Werk von R. Pßeiderer^ wird
erst auf Grund einer gewissen Ähnlichkeit mit dem Stich der Ulmer
Weihbrunnkessel dem jüngeren Syrlin zugewiesen.s

Jörg Syrlin der Ältere von Ulm gilt als der größte Bildschnitzer der
zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts und wird von 1458 bis 1491
genannt. Er war Inhaber einer großen Schreinerwerkstatt und zugleich
1 Vergl. Kunstchronik XIX. (1884) Sp. 375.
2 Das Münster zu Ulm und seine Kunstdenkmaie (Stuttgart 1905) p. 33.
3 Abbildung in Lichtdruck ebenda Taf. 13.
 
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