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DIE ORGANISATION DES IRRTUMS

Dekorativ wollte Böcklin wirken. Das Wort hat
heute erneuten Klang bekommen. Unter seinem Schutz
macht sich in jeder Bierschenke eine namenlose Malerei
breit, die vom Illustrator, vom Verglaser, vom Tapezierer
und namentlich von schlechtem Geschmack herkommt,
von allem möglichen, nur nicht vom Maler. Es be-
zeichnet gegenwärtig eine Blüte des häuslichen Gewerbes
von schätzbarem Wert und verbirgt einen Verfall der
Kunst, wie ihn noch keine Zeit gesehen hat. Den
ästhetischen Sinn des Wortes sahen wir im vorigen
Kapitel, denn monumental und dekorativ bedeutetdasselbe.
Dekorative Malerei im Sinne der modernen Buchkünstler,
Verglaser und Tapezierer dagegen ist keine Kunst im
höheren Sinne, sondern ein unendlich armseliger Not-
behelf, der in tausend Fällen passender durch ein anderes
Material, Mosaik, Intarsien, Gobelin und noch häufiger
durch — nichts ersetzt würde. Sie hat mit der Malerei
als solcher so viel zu tun, wie der Salat, den man auch
am besten mit Ö1 zubereitet.

Auch Böcklins Malerei ist ein Notbehelf, und wir
werden zu untersuchen haben, ob und welcher Ersatz
ihm vorteilhafter wäre, um auf diese Weise die positive
Lage seines Wertes zu bestimmen. Das Notbehelfartige
liegt bei ihm tiefer als bei den leicht zufriedenen
Fabrikanten des Tages. Er versteckt und verwischt es
 
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