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Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0017

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1. Sigmund und Westeuropa.
Zur Einordnung

1. a. Persönlichkeit und Politik
Wie bei kaum einer anderen Kaisergestalt des Mittelalters haben Politik und Per-
sönlichkeit Sigmunds von Luxemburg diejenigen, die über ihn urteilen, in ver-
schiedene Lager gespalten.* Wie selten, sind sich Zeitgenossen und spätere Histo-
riographen zudem in ihren Urteilen einig. Den Franzosen galt und gilt er als
wankelmütiger Partner ihrer Könige und letztlich als Verräter der Interessen Frank-
reichs, den Engländern bestenfalls als Erfüllungsgehilfe Heinrichs V. In der deutsch-
sprachigen Chronistik und Geschichtswissenschaft mühte man sich oft, ihn solchen
Urteilen zum Trotz als selbständig Handelnden zu zeigen, der eigene, weitsichtige
politische Konzepte verfolgt habe.
Sich von solchen Bahnen zu lösen, erfordert zunächst, ihrer Art des Zugangs an-
dere, methodisch geleitete Fragehorizonte ergänzend entgegenzustellen. Nicht mehr
in den Traditionen nationaler, sondern europäischer Geschichte ist zunächst eine
grenzübergreifende Politik in Westeuropa zu beschreiben. Sie zeigt sich deshalb frei-
lich noch nicht als System internationaler Beziehungen in modernem VerständnisS
Man wird weiterhin Parallelen und Unterschiede zwischen den Gesellschafts-
und Herrschaftsformen der Länder und Reiche beachten müssen, wenn es darum
geht, ein Zusammenwirken ihrer Könige und Fürsten und deren Vertrauter aufzu-
zeigend Was sich bei anderen als nützlich erwies und mit eigenen Traditionen ver-
einbar war, wirkte oft vorbildhaft: Wie Gefolgsleute und Funktionsträger an ihren

1 In der Einleitung wird darauf verzichtet, bekannte Tatsachen oder Wertungen durch Literatur-
hinweise zu belegen. Dies geschieht nur, sofern auf spezielle Aussagen zu verweisen ist sowie in
den Nachweisen zum Forschungsstand. Die Literatur wird im weiteren Verlauf der Darstellung
an jeweils entsprechender Stelle genannt.
2 Wie sehr (auch) der heutige Sprachgebrauch von kultur- und sprachgeschichtlichen Traditionen
sowie gewohnten Sichtweisen, Deutungsmustern und Erwartungshorizonten abhängen, zeigt
sich an der jüngst erschienenen Übersetzung der Monographie eines Autors aus den USA. Henry
A. Kissingers in New York publiziertes Buch mit dem Titel »Diplomacy« kam 1994 als »Die Ver-
nunft der Nationen. Über das Wesen der Außenpolitik« auf den deutschsprachigen Buchmarkt.
3 Vgl. J. H. Elliott, A Europe of composite monarchies. In: Past & Present 137 (1992), S. 48-71. Für
die frühe Neuzeit läßt sich die Tendenz eines »wiedererstarkten Interesses an Geschichte und
Struktur internationaler Systeme und Beziehungen« feststellen, der es zu tun ist »um die Klärung
der Frage, welche Rolle der inneren Verfassung der Staaten für das Funktionieren des europäi-
schen Mächtesystems beizumessen ist« und die von dort aus die »eigentlichen außenpolitischen
Entscheidungsprozesse« untersucht. Klaus Malettke, Deutsch-französische Beziehungen in der
frühen Neuzeit: Stand der deutschen Forschung zu den Bereichen »Staat und Politik (Ende
15.-Anfang 19. Jahrhundert)«. (Historische Kommission zu Berlin. Informationen, Beiheft 12).
Berlin 1989, S. 6.
 
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