Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0309

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1. Zwischen West und Ost. 1420 bis 1430

1. a. Friedens- und Vermittlungspolitik seit 1420
In den beiden vorangegangenen Kapiteln war die Rede von strukturellen Elemen-
ten auswärtiger Politik, derer sich Sigmund bediente. Die Belege umfaßten seine ge-
samte Regierungszeit. Nun soll angeknüpft werden an das, was zuvor über seine
Politik gegenüber Frankreich und England bis 1422 zu sagen war.
Beide Länder hatten in diesem Jahr einen Wechsel ihrer Monarchen erlebt. Die
jungen Könige mochten nun eigene, vielleicht andere Wege als ihre Vorgänger ver-
folgen. Im Falle Frankreichs und angesichts der Vorgeschichte Karls VII., seiner Zeit
als Dauphin, mußte davon sogar sicher ausgegangen werden. Konflikt und
Annäherung zwischen beiden Königreichen liefen daneben wie bisher weiter und
auch die innere Konkurrenz der Fürstenhäuser Frankreichs um ihren Anteil an der
Macht im Land hatte nichts von ihrer Brisanz verloren. Was bedeutete dies für die
Politik Sigmunds? Erneut mußte er sich auf eine veränderte Lage einstellen und
mehr noch als bisher damit rechnen, daß die Wechselfälle des französisch-engli-
schen Verhältnisses für ihn nur bedingt durchschaubar waren. Konnte er seine
früher gewählten Techniken auswärtiger Politik, das taktische Spiel mit Bündnissen
und Allianzen oder die langfristige Perspektive dynastischer Bindungen, beibehal-
ten? Führten Ergebnisse oder zumindest Spuren dessen, was er bisher getan und er-
reicht hatte, in die Zukunft oder mußte er von vorn beginnen? Würde er weiterhin
eine Politik der Könige vorziehen oder zu einer Politik auch mit den Fürsten
zurückkehren? Welche übergreifenden Vorhaben schließlich blieben ihm wichtig
und ließen sich weiterhin verfolgen? Nicht zuletzt ist zu fragen, ob die europäische
Befriedung, die er mit großem Engagement betrieben hatte, noch immer einen Rah-
men dafür bot, wie er in der aktuellen Lage entschied.
An den von außen auf ihn eindringenden Anforderungen hatte sich wenig
geändert, ihre Dringlichkeit war sogar noch größer geworden. Der Konflikt mit den
Hussiten in Böhmen drohte zu eskalieren, die Türken standen unvermindert bereit,
Ungarn zu überfallen und die Lage der Kirche erforderte es, das in Konstanz be-
schlossene nächste Konzil in absehbarer Zeit vorzubereiten; es sollte nicht zuletzt
beitragen, die Hussitenfrage zu lösen. Hierzu ist zu untersuchen, ob sich Sigmunds
Möglichkeiten, auf das Konzil und auf die übrigen Fürsten Westeuropas Einfluß zu
nehmen, noch in dem Umfang erhalten hatten, wie sie in Konstanz gegeben waren.
Insgesamt wird zu zeigen sein, daß eine gegenüber den Vorgängern verstärkt
selbständige Politik der Könige von Frankreich und England auch zu einem eige-
nen Vorgehen auf dem Konzil führte und Sigmunds Handlungsspielräume ent-
sprechend verringerte. Stärker noch als bisher werden die Repräsentation kaiserli-
cher Würde und das praktische politische Zusammenwirken daher jetzt zu
 
Annotationen