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Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0362

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3. Exkurs: Pax und Tranquillitas.
Der politische Friedensbegriff im
europäischen Spätmittelalter
3. a. Pax - Iustitia - Tranquillitas.
Friedensverständnis und Begriffswahl
1424 schickte Sigmund drei seiner Gesandten als Prokuratoren in einer schwierigen
Angelegenheit aus. Sie sollten mit Kommunen und Einzelpersonen verhandeln, die
unter Reichsacht standen. In der zweisprachig überlieferten Urkunde, die ihren Auf-
trag beschrieb, war dessen übergeordnetes Ziel genannt: Die ützpcn'z sacn iMSÜ'ü'a f&s
Richs mcMJ zu wahrend^ Als im selben Jahr der Reichsvikar für Savoyen in einem
Streit zwischen Bischof und Kommune von Valence vermitteln sollte, stand seine Mis-
sion hingegen unter einem anderen Motto: der ptubf.. .Js H pacz's
Mehr als eine Variation der Wortwahl lag darin, welche Version verwendet
wurde, um ein aktuelles friedens- und vermittlungspolitisches Vorhaben zu kenn-
zeichnen. Die Auswahl war keineswegs beliebig: Nur diese beiden Formeln kamen
in Frage und jede von ihnen stand für ein bestimmtes Verständnis von politischem
Frieden. Sie hatten sich in einer langen Tradition abendländischen Denkens her-
ausgebildet und zur Zeit Sigmunds war ihr Gebrauch in der Art üblich geworden,
wie es die Zeugnisse von 1424 zeigen.
Auch die Sigmund dedizierten panegyrischen Schriften des Humanistenkrei-
ses um Leonello d'Este spielten mit diesen Begriffen. So unterschied der Dichter
Marrasius Siculus drei verschiedene Friedensvorstellungen, eine theologisch be-
stimmte Aeterna pax, eine ideell und utopisch gedachte Pax totius orbis sowie eine
Tranquilla pax, die auf die praktische Politik bezogen war.^" Jene beiden schrieb er
dem Kaiser als künftige Aufgabe zu, den praktischen, politischen Frieden erreicht
zu haben war hingegen das Verdienst, um dessentwillen er ihn pries.
Stark verkürzt, soll im folgenden nachgezeichnet werden, wie sich der Gebrauch
eines politischen Friedensbegriffs bis zur Zeit Sigmunds herausbildete. Besonders zu
achten sein wird darauf, in welcher Weise eine Vorstellung von Tranquillitas dem
Friedensverständnis angefügt war. Die Rezeption Sigmunds in den Kreisen des ober-
italienischen Humanismus, die ihn als Friedenskaiser darstellte, war Teil dieser Ent-
wicklung, gab ihr ein herausragendes Zeugnis und ist ohne sie nicht verständlich.

239 HHSTAA Wien, Reichsregisterbände, H, fol. 37r-v. Auf diesen und den folgenden Vorgang ist
bereits im Zusammenhang der Procuratoria hingewiesen worden.
240 HHSTAA Wien, Reichsregisterbände, G, fol. 161v.
241 BN Paris, N. A. L., S. 137 f. Auf den Text und seinen Schreiber ist im Zusammenhang des oberita-
lienischen Humanismus und dessen Sigmund-Rezeption bereits ausführlich verwiesen worden.
242 Grundlegend zur begriffsgeschichtlichen Methode: Reinhart Koselleck, Begriffsgeschichte und
Sozialgeschichte. In: Historische Semantik und Begriffsgeschichte. Hrsg. v. Reinhart Koselleck.
(Sprache und Geschichte, 1). Stuttgart 1978, S. 19-36. Zu dem hier angesprochenen Zusammen-
 
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