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Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0377

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1. Realität und Rezeption

Vielfältig waren die Herausforderungen der internationalen Politik, die sich Sig-
mund von Luxemburg schon als ungarischem, dann (seit 1410/11) als deutschem
König und erwähltem römischen Kaiser stellten/ Nicht nur die künftige kaiserliche
Autorität, auch seine persönlichen Fähigkeiten boten Anlaß, viel von ihm zu er-
warten/ Die Unfähigkeit Wenzels und die Schwäche Ruprechts im Reich waren
noch in guter Erinnerung. Die Krankheit des Königs und die Rivalität der Fürsten
in Frankreich boten wenig Aussicht, von ihnen die dringend erforderliche Frie-
denspolitik in Europa zu erwarten. Obwohl sich die Lancaster in England, nachdem
sie die Herrschaft usurpiert hatten, bald als tatkräftige und durchsetzungsfähige
Könige erwiesen, waren ihre Möglichkeiten mit der Konsolidierung nach innen und
durch den Krieg gegen Frankreich weitgehend erschöpft. Auch sie konnten kaum
als Garanten von Vermittlung und Stabilität in Europa erscheinen, wie sie jetzt ge-
braucht wurden. Eine starke Papstkirche unter einem anerkannten Haupt, das viel
hätte bewirken können, fehlte ebenso; beides wiederherzustellen, gehörte gerade zu
den vordringlichsten Aufgaben.
Alle Hoffnung richtete sich daher auf den künftigen Kaiser. Neben praktischen
Reformprogrammen wurden Visionen und Utopien mit seinem Amt und Namen
verbunden und manches an Gedanken vorgebracht, was nicht deshalb auch von
ihm selbst gewollt war. Das beredteste Zeugnis hierfür stellt zweifellos die Rg/or-
maho dar, die 1439, zwei Jahre nach Sigmunds Tod, in Basel erschien und
den Belangen des Reiches galt/ Doch auch in der auswärtigen Politik rechnete man
mit seinem Eingreifen, um die christlichen Fürsten zu befrieden, die Einheit der Kir-
che zu erreichen und die türkische Gefahr im Osten abzuwehren. Ansätze hierzu
hatte er schon als ungarischer König gezeigt, noch vor seiner Wahl zum Reichs-
oberhaupt. Aus dieser Zeit wußte man allerdings auch, daß sein Wollen und Kön-
nen leicht auseinandertreten konnten. Seine weitgespannten Vorhaben und offen-
bar unerschütterliche Entschlossenheit mochten verheißungsvoll erscheinen - daß
er leichthin einmal gewählte Wege wieder aufgab und Widersprüche nicht scheute,
vor allem über keine gewichtige Hausmacht verfügte und nur bedingte Unterstüt-

1 Zum »Verständnismodell von Herausforderung und Antwort« vgl. Moraw, König Sigismund, S. 32.
2 Vgl. jetzt Hoensch, Sigismund, S. 482-502 (»Der Mensch«), bes. S. 488 f. zu den persönlichen
Eigenschaften und Fähigkeiten.
3 Heinrich Koller, Art. Reformatio Sigismundi. In: LexMA 7, Sp. 550 f., hier Sp. 550: »... gibt vor, die
Reformpläne Ks. Siegmunds zu überliefern ...« Ders., Reformpolitik, S. 15.
 
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