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Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0018

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4

Einleitung. Sigmund und Westeurop;

Herrn gebunden waren, wie Herrschaft ausgeübt und delegiert werden konnte, wie
Ordnung sich herstellen und gewährleisten, Konflikte sich beenden und vermeiden
liebend Dasselbe gilt für die Möglichkeiten, sich - auch über Reichsgrenzen hinweg -
persönlich und dynastisch oder durch Bündnis und Vertrag zu binden, Ansprüche
eines Fürsten über die Herrschaft eines anderen zurückzuweisen und der eigenen
Würde einen angemessenen, repräsentativen Ausdruck zu geben.
Für alles dies gab es in den Königreichen des spätmittelalterlichen Westeuropa
Verfahrensformen, die allgemein und überall angewandt wurden. Sie sind vorab zu
beschreiben, bevor gezeigt werden kann, wie man im Einzelfall danach handelte.
Nur dann, wenn derartige Formen in Politik und Diplomatie verschiedener Länder
einander entsprachen, zumindest bekannt und erwartbar waren, standen einer
Kommunikation keine unüberwindlichen Hindernisse entgegen: Es war dann mög-
lich, sich aus aktuellem Anlaß zu beraten oder ständigen Austausch zu haben, sich
befristet oder dauerhaft zu binden, zwischen anderen zu vermitteln oder in Streit-
fällen zu entscheidend Gleichwohl gelangte man damit im ausgehenden Mittelalter
noch nicht zu internationalen Organisationen, wie sie die Neuzeit kennt.
Nur wenn schließlich innerhalb solcher allgemeiner Verfahrensformen die han-
delnden Personen in ihrem eigenen Wollen und Planen, im Beraten und Entschei-
den sichtbar werden, ist die Triebkraft hinter den Ereignissen zu erschließend Kon-
tinuitäten zu beachten und Brüche zu riskieren, aus Überkommenem, Bewährtem

4 Vgl. dazu das folgende Diktum über das Reich des späten Mittelalters im Vergleich zu den wei-
ter entwickelten westlichen Monarchien: »Die Begegnung mit den westlichen Vertretern moder-
ner Diplomatie und Geistigkeit, insbesondere mit den Franzosen, ließ die deutschen Fürsten
erkennen, was gute Organisation, stabile Finanzpolitik und solide juristische Schulung bedeute-
ten.« Notker Hammerstein, Kommentar. In: Staatslehre der frühen Neuzeit. Hrsg. v. dems. (Bi-
bliothek der Geschichte und Politik, 16). Frankfurt/M. 1995, S. 1011-1209, hier S. 1017.
5 Vgl. hierzu das Vorwort des Herausgebers in: »Bündnissysteme« und »Außenpolitik« im späte-
ren Mittelalter. Hrsg. v. Peter Moraw. (ZHF, Beiheft 5). Berlin 1988. Demnach heiße, von auswär-
tiger Politik im Spätmittelalter zu sprechen, »nicht mehr an gleichsam zeitlose Tatbestände [zu]
denken, sondern mit genetischen Aspekten, funktionalen Äquivalenten und mit bemerkenswer-
ten Wandlungen umgehen [zu] wollen«.
6 Entscheidend soll hierbei sein, den Zusammenhang von strukturellen Grundlagen und persönli-
chem Handeln zu beachten und dabei zu berücksichtigen, daß und inwieweit die Person in die
Bedingungen ihrer Zeit allgemein, in diejenigen ihrer eigenen Biographie und ihrer gesellschaft-
lichen Rolle im besonderen eingebunden bleibt. Hingegen sei einem personalisierenden Ge-
schichtsverständnis, demzufolge das exponierte, handelnde Subjekt im Mittelpunkt des histori-
schen Geschehens steht - wie es in der älteren Forschung vielfach gesehen wurde -, nicht das Wort
geredet. Ergänzend wird vielmehr mit dem Ansatz der Prosopographie nach den Gefolgsleuten
der Protagonisten zu fragen sein; vgl. die Einleitung zu Kapitel 3 (Familiarität und Gesandt-
schaft). Zu den hier angerissenen methodischen Überlegungen jetzt: Joachim Ehlers, Ludwig von
Orleans und Johann von Burgund (1407/1419). Vom Tyrannenmord zur Rache aus Saatsraison.
ln: Das Attentat in der Geschichte. Hrsg. v. Alexander Demandt. Köln/Weimar/Wien 1996,
S. 107-121, hier S. 117. Zum Verständnis von Personen als Trägern oder Schöpfern von Kontinuität
und Diskontinuität vgl. Peter Moraw, Gedanken zur politischen Kontinuität im deutschen Spät-
mittelalter. In: Festschrift Hermann Heimpel, 2. (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für
Geschichte, 36, 2). Göttingen 1972, S. 45-79, hier S. 56. Ders., Organisation und Funktion von Ver-
waltung im ausgehenden Mittelalter (ca. 1350-1500). ln: Deutsche Verwaltungsgeschichte, 1. Vom
Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches. Stuttgart 1982, S. 21-65, hier S. 23, zum »Einfluß der
persönlichen Politik des jeweiligen Herrschers«. Auch persönliche Neigungen oder Ressenti-
ments zwischen Protagonisten können als historisches Argument ins Feld geführt werden. Vgl.
 
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