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Kintzinger, Martin; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa: auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds — Mittelalter-Forschungen, Band 2: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.8246#0019

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Persönlichkeit und Politik

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oder Ungewöhnlichem und Neuem auszuwählen, bleibt das Werk einzelner. Es ist
mehr als ihnen ihre Herkunft, die Zugehörigkeit zu Dynastie und Stand oder die
Traditionen von Amt und Würde Vorgaben. Danach zu fragen darf aber gerade
nicht heißen, politisches Handeln zu personalisieren oder aus Charaktermerkmalen
abzuleiten, wie es hinsichtlich Sigmunds oft genug geschehen ist. Ebensowenig
geht es allerdings um Persönlichkeit und Individualität im modernen Sinn.
Ein politisch Handelnder des späten Mittelalters bleibt vielmehr innerhalb der
Möglichkeiten eines traditionellen Herrschaftsverbandes und einer gewachsenen
Gesellschaft - ebenso diejenigen, denen er gegenübersteht.^ Danach, wie sie ange-
sichts dessen miteinander umgingen und wie daraus eine Politik zwischen den Rei-
chen entstand, ist zu fragen/ Gefolgschaften,'" Dynastien, Verträge und Bündnisse,

Heinz Thomas, Die Beziehungen Karls IV. zu Frankreich von der Rhenser Wahl im Jahre 1346 bis
zum Großen Metzer Hoftag. In: Kaiser Karl IV. 1316-78. Forschungen über Kaiser und Reich.
Hrsg. v. Hans Patze. (BDLG 114,1978). Neustadt/Aisch 1978, S. 165-201, hier S. 197.
7 Die Schwierigkeiten, die aus Vakanzen folgen konnten, lagen nicht zuletzt im Fehlen persönli-
cher Sukzession begründet. Dasselbe gilt für den Problemkreis des »kranken Königs« (Gebre-
chen, Schwäche, Alter, Handlungsunfähigkeit). Vgl. hierzu Ernst Schubert, Probleme der Kö-
nigsherrschaft im spätmittelalterlichen Reich. In: Das spätmittelalterliche Königtum im
europäischen Vergleich. Hrsg. v. Reinhard Schneider. (VuF, 32). Sigmaringen 1987, S. 135-184, bes.
S. 141 f. (auch zu Sigmund).
8 In diesem Sinne kann von vorhandenen Strukturen gesprochen werden, die dem einzelnen einen
Handlungsrahmen vorgeben, innerhalb dessen ihm aber Spielraum bleibt, selbst zu gestalten, zu
gewichten und zu entscheiden, was er tun will und wie er es tun will. Vgl. zum gegenwärtigen
soziologischen Strukturverständnis Karl Acham, Struktur, Funktion und Genese von Institutio-
nen aus sozialwissenschaftlicher Sicht. In: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte
und mittelalterliche Befunde. Hrsg. v. Gerd Melville (Norm und Struktur, 1). Köln/Weimar/Wien
1992, S. 25-71, hier S. 48 (»Unterscheidung zwischen Handlungserklärungen durch Motive und
Ziele ... von Individuen einerseits, durch Erfordernisse des Systems andererseits«). Zu einem en-
geren Strukturbegriff im Umkreis der Annales Krzystof Pomian, Die Geschichte der Strukturen.
In: Die Rückeroberung des historischen Denkens. Grundlagen der neuen Geschichtswissen-
schaft. Hrsg. v. Jacques Le Goff, Roger Chartier, Jacques Revel. Frankfurt/M. 1990, S. 166-200. Das
hier zugrunde gelegte Strukturverständnis folgt eher dem soziologischen Modell, ist aber keinem
Ansatz ausdrücklich verpflichtet. In diesem Sinne beispielhaft und richtungweisend für künftige
Arbeiten ist die jüngste Studie von Bernard Guenee, Un meurtre, une societe. L'assasinat du duc
d'Orleans, 23 novembre 1407. (Bibliotheque des histoires). Paris 1992.
9 Zu Ansätzen einer modernen, sozialgeschichtlich fundierten Politikgeschichte vgl. Hans-Ulrich
Thamer, Art. Politische Geschichte, Geschichte der internationalen Beziehungen. In: Das Fischer
Lexikon Geschichte. Hrsg. v. Richard van Dülmen. Frankfurt/M. 1990, S. 52-65, hier S. 62-65.
Thamer spricht von einer »Erweiterung der Perspektivität der Politikgeschichte auf eine Ge-
schichte des politischen Handelns« und von dem nur »scheinbaren Gegensatz von Ereignis- und
Strukturgeschichte und von Politik- und Sozialgeschichte wie auch für den sterilen Streit zwi-
schen einem Primat der Innenpolitik bzw. einem Primat der Außenpolitik«. Ebd., S. 64. Er faßt
zusammen: »Indem die moderne Politikgeschichte ... auch den Spielraum für menschliches Han-
deln, für politisches Können ... zurückgewinnt und genauer bestimmt, trägt sie auch zur >Wie-
derentdeckung des Individuellem bei ...« Ebd., S. 65. Dazu auch, mit starkem Gewicht auf den
Methoden der Annales, Guy Bourde, Herve Martin, Les ecoles historiques. Paris 1990, S. 370-374
(»Les racines du retour de l'histoire politique«). Zur Rolle der handelnden Person: »Integrant tous
les acteurs ... eile [l'histoire politique nouvelle] ne s'interesse plus exclusivement aux >grands
hommesc« Ebd., S. 373.
10 Vgl. Jean-Philippe Genet, Le lien personnel dans la litterature politique anglaise aux XlVe et XVe
siecles. ln: Uetat et les aristocraties (France, Angleterre, Ecosse) Xlle-XVIIe siede. Actes du table
ronde organisee par le C.N.R.S., Maison franqaise d'Oxford, 26 et 27 septembre 1986. Hrsg. v.
 
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